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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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lachen.
     
    Alan machte Geld locker, damit ich Amma in der Bell School anmelden konnte, die nur neun Straßen entfernt lag. 22 000 Dollar Schulgeld plus Bücher und Lehrmittel. Sie fand bald Freundinnen, einen kleinen Kreis hübscher Mädchen, die unbedingt alles über Missouri erfahren wollten. Am liebsten mochte ich Lily Burke. Sie war so klug wie Amma, aber fröhlicher. Sommersprossen, übergroße Schneidezähne, schokoladenbraunes Haar. Der exakte Farbton des Teppichs in meinem alten Schlafzimmer, wie Amma mir erklärte. Ich mochte sie trotzdem. Sie wurde ständiger Gast bei uns, half mir beim Kochen, stellte Fragen über Hausarbeit, redete über Jungs. Mit jedem Besuch wurde Amma stiller. Ab Oktober schloss sie demonstrativ die Tür, wenn Lily kam.
     
    Eines Nachts wachte ich auf, weil Amma neben meinem Bett stand.
    »Du magst Lily lieber als mich«, flüsterte sie. Sie fieberte, das Nachthemd klebte an ihrem verschwitzten Körper, ihre Zähne klapperten. Ich führte sie ins Bad, setzte sie auf die Toilette, hielt einen Waschlappen unter den kühlen, metallischen Wasserstrahl und wusch ihr die Stirn. Wir schauten uns an. Schieferblaue Augen wie die von Adora. Leer. Wie ein Winterteich.
    Ich schüttete zwei Aspirin in die Hand, warf sie zurück in die Flasche, kippte sie wieder aus. Ein oder zwei Tabletten. Ganz einfach zu verabreichen. Würde ich ihr noch eine und noch eine geben wollen? Würde es mir gefallen, ein krankes Mädchen zu umsorgen? Ein Hauch des Wiedererkennens, als sie zitternd und krank zu mir aufblickte:
Mutter ist hier.
    Ich gab Amma zwei Aspirin. Beim Geruch der Tabletten lief mir das Wasser im Mund zusammen. Den Rest kippte ich in den Abfluss.
    »Jetzt musst du mich in die Wanne setzen und waschen«, jammerte sie.
    Ich zog ihr das Nachthemd aus. Ihre Nacktheit verblüffte mich: klebrige Kleinmädchenbeine, eine runde, gezackte Narbe an der Hüfte, groß wie ein halber Flaschenverschluss, schwacher Flaum zwischen den Beinen. Volle, üppige Brüste. Dreizehn.
    Sie stieg in die Wanne und zog die Knie ans Kinn. »Und jetzt musst du mich mit Alkohol abreiben«, wimmerte sie.
    »Nein, Amma, entspann dich einfach.«
    Ihr Gesicht lief rosig an, sie begann zu weinen.
    »So macht sie es aber«, flüsterte sie. Die Tränen wurden zu Schluchzern, wuchsen an zu einem trauervollen Heulen.
    »Wir werden es nie wieder so machen wie sie«, sagte ich.
     
    Am 12 . Oktober verschwand Lily Burke auf dem Heimweg von der Schule. Vier Stunden später fand man ihre Leiche. Sie lehnte aufrecht neben einem Müllcontainer, ganze drei Blocks von unserer Wohnung entfernt. Nur sechs Zähne waren gezogen worden, die zwei übergroßen Schneidezähne und vier im Unterkiefer.
    Ich rief in Wind Gap an und wartete zwölf Minuten am Telefon, bis mir die Polizei versicherte, dass meine Mutter zu Hause sei.
     
    Ich fand sie zuerst. Es sah aus, als hätte die Polizei sie entdeckt, aber ich fand sie zuerst. Ich durchwühlte die Wohnung, wobei mich Amma wie ein wütender Hund verfolgte, riss Sitzpolster heraus, suchte in Schubladen.
Amma, was hast du getan?
Als ich ihr Zimmer erreichte, hatte sie sich schon wieder beruhigt. Wirkte selbstzufrieden. Ich stöberte zwischen ihren Höschen, kippte die Schatzkiste aus, drehte die Matratze um.
    Ich durchsuchte ihren Schreibtisch, fand aber nur Stifte, Aufkleber und eine Tasse, die nach Bleichmittel stank.
    Ich fegte Zimmer für Zimmer die Möbel aus dem Puppenhaus, zerschmetterte das kleine Himmelbett, Ammas Bettcouch, das limonengelbe Sofa. Nachdem ich den Messinghimmel von Mutters Bett hinausgeworfen und die Frisierkommode zerstört hatte, begann eine von uns zu schreien. Vielleicht schrien wir auch beide. Der Boden in Mutters Zimmer. Die wunderbaren Elfenbeinfliesen. Aus menschlichen Zähnen gemacht. Ein schimmernder Boden aus sechsundvierzig Milchzähnen, sorgfältig gereinigt und gebleicht.
     
    An den Kindermorden von Wind Gap waren noch andere beteiligt. Als man ihnen eine leichtere Strafe in der Psychiatrie statt in einer Jugendstrafanstalt anbot, gestanden die drei Blondinen, dass sie Amma geholfen hatten, Ann und Natalie zu töten. Sie waren in Adoras Golfcaddy losgefahren, hatten Ann in der Nähe ihres Hauses abgepasst und zu einer Fahrt überredet.
Meine Mutter möchte dir hallo sagen.
    Die Mädchen tuckerten in den Wald, wollten angeblich ein Picknick veranstalten. Sie putzten Ann heraus, spielten ein bisschen mit ihr, bis es ihnen langweilig wurde. Dann marschierten sie mit
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