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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin
Autoren: Der Uebergang
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dachte es nicht
bloß, ich wusste es. Und genauso weiß ich dies: Dieser Ort hier wacht über uns
und kümmert sich um uns. Er sagt uns, solange wir hier sind, sind wir in
Sicherheit.« Er sah Peter an, und sein Blick war gequält. »Du brauchst mir
nicht zu glauben.«
    »Ich habe nicht gesagt, ich glaube dir nicht.«
    Theo lachte und verzog dann das Gesicht, weil
seine bandagierten Rippen schmerzten. »Das ist gut.« Er ließ den Kopf auf das
Kissen fallen. »Denn ich glaube an dich, Bruder.«
     
    Vorläufig würden sie nicht weiterfahren. Sara
meinte, es werde mindestens sechzig Tage dauern, bis Theo wieder ans Gehen
denken könnte, und Mausami war immer noch sehr schwach und entkräftet von der
langen und schweren Entbindung. Von allen war Baby Caleb der Einzige, dem es
anscheinend tadellos ging. Er war erst ein paar Tage alt, aber er schaute sich
mit hellen, weit offenen Augen um. Für jeden hatte er ein freundliches Lächeln,
vor allem für Amy. Wenn er ihre Stimme hörte oder auch nur spürte, dass sie
hereinkam, fing er schrill und glücklich an zu krähen und wedelte mit Armen und
Beinen.
    »Ich glaube, er hat dich gern«, sagte Maus eines
Tages in der Küche, während sie mühsam versuchte, ihn zu stillen. »Du kannst
ihn halten, wenn du willst.«
    Peter und Sara sahen zu, wie Amy sich an den
Tisch setzte und Mausami ihr Caleb behutsam in die Arme legte. Er streckte
einen Arm aus der Wickeldecke, und Amy neigte ihm das Gesicht entgegen, sodass
er mit seinen winzigen Fingern nach ihrer Nase greifen konnte. »Ein Baby«,
sagte sie lächelnd.
    Maus lachte trocken. »Das kann man wohl sagen.«
Sie drückte die flache Hand an ihre schmerzenden Brüste und stöhnte. »Und was
für eins.«
    »Ich habe noch nie eins gesehen.« Amy
betrachtete Calebs Gesicht. Alles an ihm war so neu, dass es schien, als sei er
in irgendeine wundersame, lebensspendende Flüssigkeit getaucht worden. »Hallo,
Baby.«
    Das Haus war zu klein, um alle darin
unterzubringen, und Caleb brauchte Ruhe. Sie holten die überschüssigen
Matratzen heraus und zogen in eins der leeren Häuser am Weg. Wie lange war es
her, dass hier so viel Leben gewesen war? Dass mehr als ein Haus von Menschen
bewohnt gewesen war? Am Flussufer wuchsen dichte Dornenbüsche mit bitteren
Brombeeren, die in der Sonne süß wurden, und im Wasser sprangen die Fische.
Jeden Tag kam Alicia von der Jagd zurück, verschmutzt und lachend, und ein
Stück Wild baumelte an einem Strick über ihrem Rücken: langohrige Hasen, fette
Rebhühner, etwas, das aussah wie eine Kreuzung zwischen Eichhörnchen und
Murmeltier und nach Hirsch schmeckte. Sie nahm kein Gewehr und keinen Bogen
mit; sie brauchte nur ein Messer. »Niemand muss hungern, solange ich da bin«,
sagte sie.
    Auf ganz eigene Art war es eine glückliche Zeit,
eine unbeschwerte Zeit. Es gab reichlich zu essen, die milden Tage wurden
immer länger, und die Nächte unter dem Sternenhimmel waren still und scheinbar
sicher. Trotzdem hing für Peter bange Sorge wie eine Wolke über allem. Zum Teil
lag es daran, dass er wusste, wie vorübergehend alles war. Dazu kamen die
Probleme, die mit ihrer bevorstehenden Weiterreise verbunden waren -
organisatorische Probleme mit Proviant, Treibstoff, Waffen und genügend Platz,
um alles zu transportieren. Sie hatten nur den einen Humvee, und der reichte
kaum für alle, schon gar nicht für eine Frau mit einem Baby. Die Frage war
auch, was sie in der Kolonie vorfinden würden, wenn sie dort ankämen. Würden
die Lichter noch brennen? Würde Sanjay sie festnehmen lassen? Lauter Sorgen,
die noch ein paar Wochen zuvor in weiter Ferne gelegen hatten und über die man
sich den Kopf nicht hatte zerbrechen müssen. Das war jetzt nicht mehr so.
    Aber letzten Endes bedrückte ihn etwas anderes.
Es war das Virus. Zehn Ampullen in einer glänzenden Metallkassette in seinem
Rucksack, den er im Wandschrank des Hauses verstaut hatte, in dem er mit Greer
und Michael schlief. Der Major hatte recht: Es konnte nur einen Grund geben,
weshalb Lacey ihm die Kassette gegeben hatte. Alicia hatte das Virus bereits
gerettet - und mehr als das. Es war die Waffe, von der Lacey gesprochen hatte,
mächtiger als Gewehre und Armbrüste, mächtiger selbst als die Bombe, die sie
benutzt hatte, um Babcock zu töten. In seiner Stahlkassette war es jedoch
wirkungslos.
    In einem hatte Greer nicht recht. Die
Entscheidung hatte Peter nicht allein zu treffen. Alle andern mussten
zustimmen. Die Farm eignete sich für das, was er
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