Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon
Autoren: Sarah Dessen
Vom Netzwerk:
dem Haus. Ich hatte jahrelange Routine darin entwickelt, mich aus solchen Situationen rauszuziehen. Es war, als führe ich mit Autopilot: Ich machte dicht, zog mich zurück und mein Hirn schaltete sich ab, bevor irgendwelche gehässigen Bemerkungen richtig andocken konnten.
    Trotzdem drang ab und zu noch was durch. Deshalb stand ich jetzt unter der Straßenlaterne, stinkende Pommes und Zwiebelringe in der Hand, und hatte keinen Hunger mehr. Ich war nicht einmal mehr ich. Ich war wieder dick, ein Jahr jünger, stand nicht auf dem Parkplatz, sondern war zu Hause, in unserem Viertel, und zwar in exakt jener Nacht, als Chase Mercer und ich zusammen zum achtzehnten Loch spazierten.
     
    Auf dem Rückweg zu Miras Haus heulte ich nicht. Man kommt an einen Punkt, wo man das gar nicht mehr kann. Der Schmerz bleibt, er hört nie auf. Aber ich habe mich trotzdem gefreut, als ich es geschafft hatte, wenigstens nicht mehr zu heulen.
    Das Mädchen – diese Isabel mit den blonden Haaren und den vollen roten Lippen – kannte mich nicht einmal. Es lag bloß daran, dass ich dieses Schild um den Hals trug, auf dem TRITT MICH stand, nicht nur daheim und in der Schule, sondern auch überall sonst auf der Welt.
Es ist einfach unfair,
dachte ich, aber der Gedanke war genauso sinnlos wie alles andere auch.
    Als ich ins Haus trat, hockte Mira vor dem Fernseher. Mittlerweile trug sie blaue Altfrauenpantoffeln und einen verschlissenen karierten Bademantel.
    |36| »Colie? Bist du das?«
    »Ja.«
    »Hast du alles gut gefunden?«
    Ich betrachtete mich in dem großen Spiegel neben der Eingangstür: meine schwarzen Haare, den Ring in meiner Oberlippe, meine abgerissenen Jeans, das schwarze T-Shirt mit den langen Ärmeln, das ich trug, obwohl es Sommer und ziemlich heiß war. Isabel hatte mich auf den ersten Blick nicht ausstehen können, und zwar nicht, weil ich fett gewesen wäre. Nein, einfach weil sie es so wollte.
    »Colie?«, rief Mira noch einmal.
    »Ja-a. Ich hab deinen Salat dabei.« Ich brachte ihn zu ihr ins Wohnzimmer. Sie stürzte sich auf den Karton, öffnete ihn und steckte ein Salatblatt in den Mund.
    »Diese Salatsoße ist sooo lecker!« Sie freute sich wie ein Kind. »Manchmal schmuggelt Norman welche für mich raus und bringt sie mir mit. Sie ist einfach köstlich. Was hast du dir bestellt?«
    »Bloß einen Hamburger mit Pommes frites. Hier, dein restliches Geld.« Ich legte es auf den niedrigen Wohnzimmertisch, wo sie zwei Teller, zwei Becher Eistee und Servietten für uns bereitgestellt hatte.
    »Danke. Komm, setz dich, lass uns essen. Ich sterbe vor Hunger.« Kater Norman kroch schleppend unter dem Sofa hervor und stupste Miras Essenskarton mit seiner Schnauze an.
    »Ich habe gar nicht so viel Appetit«, sagte ich.
    »Böser Kater!« Sie schob ihn mit dem Fuß weg und sagte zu mir: »Aber du musst doch umkommen vor Hunger! Schließlich hattest du einen langen, aufregenden Tag.«
    |37| »Ich bin echt müde. Ich glaube, ich möchte einfach nur noch schlafen.«
    »Ja?« Sie hörte auf zu essen und blickte mich aufmerksam an. »Ist was?«
    »Nein, gar nichts.« Meine Antwort kam reflexartig, wie aus der Pistole geschossen.
    »Wirklich?«
    Ich dachte an Isabel. Wie sich ihre Augen zu Schlitzen verengt hatten, als sie mich ins Visier nahm. An meine Mutter, ihre rot-violetten Trainingsklamotten, ihre vor lauter Neusein quietschenden Schuhe. Daran, wie sie mir zum Abschied zugewinkt hatte. An die Sommerferien, hier in Colby, in diesem Haus, die sich endlos vor mir ausdehnten.
    »Wirklich, es ist alles in Ordnung«, sagte ich.
    »Na gut«, antwortete sie gedehnt, als würden wir gerade miteinander handeln und zäh um den Preis feilschen. »Ich kann mir vorstellen, dass du sehr geschafft bist.«
    »Ja, bin ich.« Ich ging mit meinem kalten, übel riechenden Hamburger zur Tür.
    »Gute Nacht!«, rief sie mir nach, während ich das Zimmer verließ. »Und falls du deine Meinung änderst . . .«
    »Okay, danke.« Aber sie lehnte sich schon wieder in ihrem Sessel zurück. Kater Norman hopste schwerfällig zu ihr auf die Sessellehne. Mira drehte den Fernseher lauter. Und während ich die Treppe hinauf zu meinem Zimmer ging, konnte ich hören, wie die Zuschauer eines Wrestling-Kampfes – was sonst? – laut grölten, schrien und applaudierten.
    |38| »Colie.«
    Es konnte nicht der nächste Tag sein, denn es war dunkel im Zimmer. Der große gelbe Mond hing noch da, wo ich ihn zurückgelassen hatte, in einer Ecke des Fensters.
    »Colie!«
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher