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Crashkurs

Crashkurs

Titel: Crashkurs
Autoren: Dirk Müller
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Lage hervorgerufen haben?
    Dazu fällt mir der große Satz des Chefanalysten der Bremer Landesbank Folker Hellmeyer ein: »Erst stirbt der freie Markt, dann stirbt die Demokratie.« Sind wir etwa schon so weit?

    Die Nebelkerzenmethode oder: Warum Sie nicht Ihrem Gefühl vertrauen

    Eigentlich müsste jeder logisch denkende Bürger die Lageeinschätzungen der Experten durchschauen können und rufen: »Das stimmt doch nicht! Der Kaiser hat keine Kleider an!« Warum passiert das nicht? Die Erklärung ist so erschreckend wie einfach. Es werden von allen Seiten beständig Nebelkerzen geworfen, die nur einen Zweck haben: Die Menschen bekommen so viele verwirrende, komplizierte und kaum nachzuvollziehende »Fakten« um die Ohren gehauen, dass die meisten gleich resigniert abwinken und sagen: »Das ist mir alles zu kompliziert, die werden schon recht haben.« Und diese »Fakten« werden dann gezielt so präsentiert, dass bei der Bevölkerung jeweils die Stimmungslage erreicht wird, die beabsichtigt ist. Wir wollen uns einige dieser Nebelkerzen genauer ansehen. Dann verlieren sie ganz schnell ihre Mystik und damit ihre Wirkung.

    Nebelkerze »IFO-Index«
    Wenn Expertenaussagen kritisch hinterfragt werden, verteidigen die Fachleute ihren Standpunkt zumeist mit den aktuellen Wirtschaftsdaten. Kleines Beispiel gefällig? Bitte sehr: Einer der am häufigsten zu Rate gezogenen Indizes zur Lage der Konjunktur in Deutschland ist der IFO-Index, auch »Geschäftsklimaindex« genannt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Es werden einmal im Monat 7000 Firmenchefs befragt:

»Wie schätzen Sie Ihre augenblickliche Lage ein? Gut, befriedigend oder schlecht? Und wie, glauben Sie, wird sich Ihre wirtschaftliche Lage in den nächsten sechs Monaten entwickeln? Günstiger, gleichbleibend oder ungünstiger?«

    Das war alles. Gar nicht so kompliziert. Aaaaber: Erstens kann an diesem Index durch Auswahl der Firmen mächtig getrickst werden. Ich rufe zum Beispiel einfach mehr bei Stromversorgern als bei Fliesenlegern an. Und wenn ich im Dezember einen Gartenbaubetrieb anrufe, wird der mir sagen: »Im Moment läuft es nicht so toll, aber in den nächsten sechs Monaten erwarten wir deutlich mehr Aufträge.« Die Folgerung: Die Wirtschaft erwartet einen Konjunkturaufschwung! Geht doch. Oft werden diese lästigen Anfragen auch gar nicht von den Firmenchefs beantwortet, wie man meinen könnte. Mir wurde bereits glaubhaft versichert, dass dieser Anfragebogen gelegentlich auch vom Praktikanten ausgefüllt wird. Darüber hinaus werden zwar 7000 Firmen befragt, aber es ist nicht die Rede davon, wie viele auch antworten. Vielleicht hat derjenige, der gerade um die Existenz seiner Firma kämpft, ganz andere Dinge zu tun, als einen nervigen Fragebogen an ein Wirtschaftsforschungsinstitut zurückzusenden.
    Des Weiteren sind Firmenchefs auch keine Übermenschen. Wenn der Leiter einer großen Holzhandlung jeden Tag in der Zeitung liest, dass die Wirtschaftsexperten mit einer anziehenden Wirtschaft rechnen, weil der Konsument bald mehr Geld in der Tasche hat, wird dieser Firmenchef, der ja von Haus aus optimistisch sein sollte, der Überzeugung sein: Wenn das so ist, wie die sagen, werde ich in den nächsten Monaten auch mehr Holz verkaufen. Und schon entspricht der Ifo-Index dem, was die Experten gesagt haben.
    Das bedeutet im Umkehrschluss: Erst wenn die Lage in den Firmen schon als so dramatisch wahrgenommen wird, dass selbst die optimistischen Firmenchefs, die ja immer am liebsten Gewinnzuwächse ankündigen, zurückrudern und den Beteuerungen der Experten keinen rechten Glauben mehr schenken wollen, wird der IFO-Index zurückgehen.
    Der IFO-Geschäftsklimaindex hatte Anfang 2007 seinen höchsten Stand seit über zehn Jahren und fällt seitdem kontinuierlich. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren!

    Nebelkerze »Arbeitsmarktstatistik«
    Darüber hinaus ist im Moment ständig von der wunderbaren Vermehrung der Arbeitsplätze zu lesen. Zugegeben: Wie es die Bundesregierung schafft, aus einem Heer von Arbeitslosen auf dem Papier ein Jobwunder zu erschaffen, das hat in der Tat schon etwas von einem biblischen Wunder. Hätte die Bundesagentur für Arbeit diese Nummer vor 2000 Jahren durchgezogen, wäre das vermutlich irgendwo zwischen der Teilung des Roten Meeres und der Speisung der 5000 in der Bibel erzählt worden. Es ist doch so: Auf Seite 1 der Zeitungen steht oft »Niedrigste Arbeitslosenzahl im Dezember seit Jahren«, auf Seite 2 bis 4 der gleichen Zeitung
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