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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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um Flips Seele zu einer letzten Kraftanstrengung zu bewegen, mit der sie sich befreite, ehe es zu spät war.
     
    Eine junge Krankenschwester stand am Empfang, telefonierte und machte sich Notizen. Im Kontrast zu ihrem weißen Kittel sahen ihre Arme unnatürlich rosig aus. Während Alex noch zögerte, kam ein grauhaariger Hausmeister vorbei, der eine undefinierbare Melodie pfiff und zwei große Flaschen (Sauerstoff?) auf einer Sackkarre vor sich herschob. Der Mann nickte Alex zu. Dann war er vorbei und nur noch sie beide standen da: Alex und die Schwester. Sie sah nicht viel älter als Teri aus. Das war eher gut, oder? Lieber eine fröhliche, aufgeweckte Schwesternschülerin als eine mürrische, strenge Oberschwester oder wie die sich nannten.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte die junge Frau und stellte den Hörer wieder in die Schale.
    Von wegen fröhlich und aufgeweckt! Müde. Gestresst.Abgekämpft. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, der Gesichtsausdruck war gleichgültig, fast apathisch. Trotzdem war sie recht hübsch. Diese braunen Augen   …
    Alex überlegte kurz, dann sagte er sein Sprüchlein auf.
    »Keine Blumen«, entgegnete die Schwester, als er fertig war. »Die sind nicht gut für sein Asthma.«
    Klar. Alex schaute den Strauß an und wusste nicht mehr weiter. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. »Kann ich den Strauß vielleicht für seine Mutter dalassen?«, improvisierte er.
    »Leg ihn erst mal dorthin.«
    Alex legte den Strauß ans Ende des Tresens und zeigte auf die Karte in dem roten Umschlag. »Da drauf haben ganz viele Leute unterschrieben.« Alex gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, und passte auf, dass ihm die Stimme nicht wegkippte.
    Wo blieb Rob? Wann wollte er mit seinem »Auftritt« anfangen?
    Alex betrachtete das Schild an der Wand mit den Richtungspfeilen und Zimmernummern. Laut Rob war Zimmer 6 das richtige.
    Der Grauhaarige kam wieder zurück. Er pfiff immer noch, aber die Sackkarre war jetzt leer. Sein Blick fiel erst auf den Strauß und dann auf Alex. »Ist der nicht ein bisschen jung für Sie?«, scherzte er und zwinkerte der Schwester zu. Und weg war er. Alex konnte der Schwester nicht ansehen, ob sie sich ärgerte.
    Jetzt kam aus dem Zimmer gegenüber eine zweiteSchwester, die älter war und erfahrener wirkte. Sie ging hinter den Tresen und legte eine dicke Akte in einen Drahtkorb.
    »Wann machst du heute Schluss?«, fragte sie.
    »Um vier«, antwortete die junge.
    »Ich dachte, du hast ’ne Doppelschicht?«
    »Nein.«
    Die Ältere brummelte etwas, trank einen Schluck aus einer Coladose, stellte die Dose wieder hin und verschwand.
    »War sie heute schon hier?«, wandte sich Alex an die junge. »Mrs Gray, meine ich.«
    Die Schwester schaute auf und schien sich darüber zu wundern, dass er immer noch dastand. »Mr Gray war heute Vormittag hier. Einer von beiden kommt bestimmt bald wieder, jetzt, wo die Visite durch ist.« Sie hätte beinahe gelächelt. »Keine Sorge, ich sehe zu, dass Mrs Gray die Blumen und die Karte bekommt.«
    In diesem Augenblick ertönte ein Summton. Die Augen der Schwester blitzten genervt auf. Alex wusste nicht, was er machen sollte. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte, und hatte auch keinen Anlass mehr, noch länger hier herumzustehen. Es summte noch einmal, diesmal länger und dringlicher, gefolgt von dem Ruf:
Schwester, Schwester!
Der Grauhaarige kam ganz außer Atem angelaufen.
    »Im Wartezimmer liegt ein junger Mann auf dem Boden! Ich glaube, er hat einen Anfall.«
    Rob.
    Die Schwester kam hinter dem Tresen hervor und ging mit eiligen Schritten hinter dem Mann her. Alex   – eben noch im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit, jetzt schlagartig vergessen   – wartete, bis die beiden außer Sicht waren. Dann folgte er dem Pfeil zum Zimmer 6.

25
     
    Es war ein ganz gewöhnliches Zimmer. Nicht wie in einer Fernsehserie oder einem dieser Krankenhausfilme, wo jeder, der auf der Intensivstation liegt, mit piepsenden Maschinen verkabelt ist, wo Krankenschwestern hin und her flitzen und jederzeit mit der Nulllinie auf dem Elektrokardiografen rechnen. Hier war alles ruhig und still. Lowtech. An der Wand ein Kunstdruck, zwei gleiche Ikea-Sessel und in der Ecke ein Tisch mit einem Radio/C D-Spieler und einem tragbaren Fernseher. Fehlte nur noch der Teppichboden statt des pflegeleichten Bodenbelags und Zimmer 6 wäre als Hotelzimmer durchgegangen. Wenn man den Desinfektionsgeruch außer Acht ließ. Die Vorhänge waren halb zugezogen und tauchten das
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