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Cosm

Cosm

Titel: Cosm
Autoren: Gregory Benford
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einem optimierten Integral ermittelt?«
    »Richtig.« Knappes Nicken. Kurz und bündig war immer das beste. Sie hatte die komplizierten Berechnungen stark vereinfacht. Die Größenordnung stimmte, aber das war auch alles.
    »Spallationsrate …«
    »Alles mit einbezogen.«
    Hugh nickte, zog – sein Standardreflex – skeptisch die Mundwinkel nach unten und ließ die Stille wirken. Endlich sah er betont Dave, nicht Alicia, an, wartete noch zwei Sekunden und sagte dann zögernd: »Ich … gebe es den Anwälten rüber.«
    »Großartig! Alicia, Sie können anfangen, sobald wir damit beim Richter waren.«
    »Und wann wäre das …?«
    Dave griff nach dem Telefon. »Ich schicke das Gutachten per Kurier.«
    »Anwälte haben es nie eilig.«
    »Richtig, aber dafür kosten sie jede Menge Geld«, knurrte Hugh.
    »Diesmal wird es schnell gehen. Tom Ludlam sitzt ihnen schon die ganze Zeit im Nacken.«
    Als sie aufstand, wäre ihr fast schwindlig geworden. So schnell und einfach ging das also. Genaugenommen hatte sie nicht einmal gelogen, sondern nur geschickt taktiert. Müdigkeit und Schuldbewußtsein ergaben eine Mischung, die zu Kopf stieg. Sie würde lernen müssen, mit bei dem zu leben. Aber zumindest der Müdigkeit war mit Schlaf abzuhelfen.
    Dave erteilte, forsch und etwas aggressiv, wie kompetente Führungskräfte sich gerne gaben, einige Anweisungen, dann wandte er sich an sie und sagte liebenswürdig: »Kommen Sie, ich möchte mir Ihren Versuchsaufbau ansehen.«
    »Was dagegen, wenn wir vorher auf einen Sprung in die Cafeteria gehen? Ich habe noch nicht gefrühstückt.«
    Dave nickte. »Eine schöne Tasse Kaffee wird auch mir nicht schaden.«
    Als Hugh gegangen war, fuhren sie mit dem Fahrrad zur Cafeteria. Alicia fühlte sich unförmig wie ein Ballon. Sie war nicht dick, aber kräftig gebaut, und die Fahrt hatte sie ins Schwitzen gebracht. Normalerweisenahm sie sich keine Zeit zum Essen, sondern zog sich nur ein Sandwich aus einem der Münzautomaten; schon die Cafeteria war ein seltener Luxus. Da die Forschungsteams hier rund um die Uhr im Einsatz waren, bekam man jederzeit ein – allerdings sehr gehaltvolles – Frühstück. Sie holte sich brav eine Schüssel Lite Granola mit entrahmter Milch, und leistete sich dafür im Hauptgang eine wahre Kalorienorgie: Eier, Speck und Toast mit Butter.
    Die Cafeteria war etwa zur Hälfte besetzt, obwohl es für die Mittagspause noch recht früh war. Wissenschaftliche Forschung findet häufig im Café statt. Zu diesem Zweck lagen an jedem Tisch kleine Notizblöcke bereit.
    Die gesellschaftlichen Strukturen schlugen sich in der Sitzordnung nieder. Bibliothekarinnen, Verwaltungsangestellte und Sekretärinnen – durchweg Frauen, die meisten trugen Hosenanzüge, Kleider waren seltene Ausnahmen – bildeten Vierergruppen. Ingenieure und höhere technische Angestellte saßen zu sechst oder zu acht beieinander. Als sich Alicia zu einem kleinen Tisch durchschlängelte, kam ein ganzer Pulk Experimentalphysiker vom großen PHENIX-Detektor anmarschiert und schob gleich mehrere Tische zusammen, um sich nicht trennen zu müssen. Die Theoretikercliquen waren kleiner. Niemand aß allein, und es war üblich, sich umzusehen und zu registrieren, wer seine Mahlzeiten mit wem einnahm – oder auch nicht.
    Alicia war lange genug in diesem Milieu, um die Physiker schon an ihrer Garderobe zu erkennen. Individualität war hier nicht gefragt, man kam sich eher vor wie in einer gutbürgerlichen Wohngegend am Wochenende: Jeans oder neutrale Hosen, Hemden aus dem Kaufhaus mit aufgekrempelten Ärmeln, Schuhe mit Fußbett. Alicia selbst wich nur unwesentlich von der Norm ab. Sie trug schwarze Jeans mit einem breiten, schwarzen Gürtel, dazu eine hellgelbe Bluse und Arbeitsstiefel mit Stahlschäften, die den unaufdringlich femininen Eindruck gleich wieder zunichte machten. Die Verwaltungsangestellten kleideten sich wie klassische Geschäftsleute, manche kamen sogar im Anzug, ließen aber die Jacke normalerweise im Büro und trugen sie nur, wenn sie Besucher empfangen mußten.
    Dave wollte auf keinen Fall mit der Verwaltung identifiziert werden und signalisierte das mit seinen braunen Hosen und seinem Holzfällerhemd auch ganz deutlich. Außerdem war er nicht weniger ein Arbeitstier als all die kaffeesüchtigen Neurotiker im Labor. Bei Leuten wie ihm lautete der berühmte Stoßseufzer wohl eher: Gottlob, endlich Montag. Während sie sich über ihre Eier hermachte, knabberte er an einem kalorienarmen Keks und
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