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Cosm

Cosm

Titel: Cosm
Autoren: Gregory Benford
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Schwierigkeiten im Umgang mit radioaktiven Elementen vermied, hatte Alicia sich schließlich für Uran entschieden. Die stabilste und häufigste Form von Uran hatte einen Kern aus 238 Nukleonen, der mit den Kernen der schwersten Elemente eine Besonderheit teilte: er war nicht kugel-, sondern zigarrenförmig. Im steten Kampf um Stabilität – den auch U-238 mit einer Zerfallszeit, die dem Alter der Erde nahekam, letztlich verlor – entfernten sich die Protonen voneinander, und die Kerne zogen sich in die Länge.
    Das war das wichtigste Argument für Alicias Verfahren. U-238-Kerne trafen nur selten genau frontal aufeinander wie zwei kollidierende Züge, aber wenn man einen solchen Zusammenstoß gezielt herbeiführte, wurde dabei möglicherweise mehr Energie frei. Möglicherweise – sicher waren sich die Theoretiker nicht.
    »Was wollen sie denn?« fragte Zak. Der gleichmütige Tonfall verbarg seinen Ärger. Auch sein schmales Gesicht verriet nichts, nur die Augen unter dem dichten, schwarzen Haarschopf wurden ein wenig schmaler.
    »Genauere Angaben über den Anfall von Radioaktivität und die erforderliche Abschirmung.«
    Sprühte man hoch angeregte Kerne in eine Kammer, dann bekam man eine Ladung von Zerfallsprodukten, die wild durch die Gegend schossen, gegen die ringsum aufgestellten Detektoren, die Wände, die Fußböden, dieEisenteile prallten – und überall verräterische Spuren von Radioaktivität hinterließen. Die kühlte zwar zum größten Teil innerhalb von Minuten ab, aber je schwerer die verwendeten Kerne waren, desto stärker wurde die Strahlung.
    Wieviel stärker? Die ›Friends of the Earth‹ hatten vor Gericht mehr Sicherheit eingefordert, sobald sie hörten, daß ein Versuch mit Uran geplant war. Mit Uran baute man schließlich Bomben , nicht wahr? – so dachten jedenfalls die Massen, für die schon das Wort Atom gleichbedeutend war mit Mord. Nun hatte das Labor den Schwarzen Peter an Alicia weitergegeben, die schließlich den Versuch beantragt hatte. Das bedeutete, neue Berechnungen, eine numerische Simulation, und die Ausarbeitung von zahllosen Kurven und mit Fachbegriffen gespickten Diagrammen …
    Alicia schnippte mit den Fingern. »Ich glaube, ich sehe einen Ausweg.«

 
    3 Hugh Alcott saß schweigend da, nur seine Lippen zuckten. Alicia sah ihn und Dave Rucker, der für die Koordination der Experimente verantwortlich war, über die Länge des polierten Nußbaumtisches hinweg unverwandt an. Ihr Magen knurrte, aber nicht allein vor Hunger, auch wenn es jetzt 11 Uhr vormittags war und sie in den letzten vierundzwanzig Stunden nur einmal gegessen und höchstens vier Stunden geschlafen hatte.
    Aus Hughs Bürofenster hatte man einen herrlichen Blick auf den riesige Collider-Ring und den hübschen Park mit seinen Kieferngruppen, aber auch die Aussicht löste ihre Spannung nicht. Sie hatte nur einen Trumpf in der Hand, und wenn das Manöver nicht sofort wirkte, war alles vergebens.
    Hugh drückte mit dem Zeigefinger so fest auf denEinband ihres fertigen Sicherheitsgutachtens, als wolle er auf diese Weise zum Kern der Dinge vorstoßen. »Das war wirklich schnelle Arbeit.«
    »Die einzelnen Teile lagen schon vor. Ich mußte nur eine Nachtschicht einlegen.«
    »Sie hatten die numerischen Simulationen, die Monte Carlo-Codes bereits fertig?«
    »Ja«, log sie.
    Dave Rucker lächelte matt. »Großartig. Ich habe Ihre Energie schon immer bewundert. Diese verdammte Klage hat uns einfach kalt erwischt.«
    »Nur gut, daß ich die Vorarbeiten so gut wie abgeschlossen hatte.« Ihr schlechtes Gewissen verursachte ihr jetzt regelrechte Magenkrämpfe. Wenn die beiden nun dahinterkamen, daß das Gutachten nur Bluff war? Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Bedenken kamen zu spät. Sie zwang ihre inneren Organe zur Ruhe.
    Dave nickte. »Das kann man wohl sagen.«
    Sie bemühte sich, bescheiden und aufrichtig zu wirken. Die tiefen Falten der Erschöpfung brauchte sie nicht erst vorzutäuschen. Sie hatte viele Stunden damit verbracht, Ergebnisse zu türken, die überzeugend und fundiert wirkten. Ein unschätzbarer Vorteil numerischer Simulationen bestand darin, daß niemand sich die Mühe machte, die Werte im einzelnen nachzuprüfen. Zeitraubende Kontrollen waren ein probates Abschreckungsmittel für Leute, die ohnehin ständig das Gefühl hatten, mit ihrem Arbeitspensum im Rückstand zu sein.
    Daves Blick wanderte zu Hugh. »Scheint okay zu sein?«
    »Diese Zählraten«, fragte Hugh argwöhnisch, »wurden mit
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