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Cosm

Cosm

Titel: Cosm
Autoren: Gregory Benford
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und hatte auf dem Flug von Kalifornien über nichts anderes geredet. Neben all den alterfahrenen Technikern und Physikern wirkte er wie ein verschüchtertes Küken. Sie mußte ihn sanft auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
    »Die Aufbereitung des Quellmaterials ist fast abgeschlossen, sagen die Ionentypen.«
    »Gut, gut.«
    Zak grinste. Er zitterte vor Aufregung, bemühte sich aber nach Kräften, Gelassenheit zu zeigen. Alicia fühlte sich an einen Welpen in einem fremden Haushalt erinnert, wo niemand viel Geduld mit jungen Hunden hatte. »Über mangelnde Unterstützung können wir uns nicht beklagen.«
    »Die schreien geradezu nach schlichtem Uran, wir müssen schließlich sparen.« Ein müder Witz, aber Zak nickte pflichtschuldigst.
    Als einigen Kongressabgeordneten zu Ohren kam, daß hier ein Haufen von hochnäsigen Physikern mit Gold um sich warf, hatte es etliche schlagzeilenträchtige Anhörungen gegeben. Der Sturm legte sich jedoch, als sogar den Anwälten klar wurde, daß alles Gold, das während der gesamten Lebensdauer der Anlage um den Ring geschleudert wurde, zusammen nicht einmal für eine Zahnkrone gereicht hätte.
    Alicia hätte die schlechte Nachricht am liebsten für sich behalten, aber sie überwand sich. »Es gibt … eine Verzögerung.«
    »Was? Man hat uns doch sowieso nur diese eine Woche genehmigt.«
    »Wieder mal die Sicherheitsabteilung.«
    »Verdammt, ich dachte, das wäre erledigt. Ich meine, die Strahlung ist doch nicht der Rede wert!«
    »Hier geht’s nicht um Logik, Zakster, sondern um Bürokratie.«
    Er machte ein langes Gesicht. Alicia hätte ihn gern getröstet, wollte sich aber nicht aufdrängen. Zak hieß nach dem Willen seiner vietnamesischen Eltern eigentlich Phat, den ausgefallenen Namen Zak – nicht Zachariah, wie er immer wieder betonte, sondern einfach kurz und knackig Zak – hatte er sich selbst ausgesucht, um sich von seiner Herkunft zu distanzieren. Ein Teil von ihm war bestrebt, ein perfekter Amerikaner zu werden, so fuhr er etwa einen Chevy und registrierte mit wahremAdlerblick Nuancen der neuesten Mode, die Alicia gar nicht wahrnahm. Ein ganz anderer Zak kam jedoch zum Vorschein, wenn sein Gesicht ernst, ja grüblerisch wurde und seine Augen vor Anstrengung zu schielen begannen. Hinter der amerikanischen Fassade lauerte nämlich der gleiche, brennende Forschungsdrang, der auch sie selbst beseelte. Zak war mit dem Virus der Kern/Elementarteilchenphysik infiziert, und dieses Fieber hatte zwischen ihm und seinen Eltern, die in Garden Grove eine kleine Schneiderei betrieben, eine tiefe, kulturelle Kluft entstehen lassen. Alicia fühlte sich zu ihm hingezogen, weil er ähnlich wie sie zu kämpfen hatte, um seine Identität gegen die Erwartungen von außen zu behaupten. Wobei ihre Zuneigung sie natürlich nicht hinderte, ihn herumzukommandieren; in der Welt der Naturwissenschaften wehte ein rauher Wind.
    Zak war ernst geworden. »Aber wieso«, begann er, » hört irgendein Richter nach dieser albernen Benzingeschichte überhaupt noch auf Anwälte und ihre erfundenen …«
    »Die Leute fürchten sich vor allem, was nur nach Atom riecht . Und das Labor wappnet sich gegen diese Ängste mit einer dicken Schicht Papier.«
    Normalerweise jagte der Collider mit Geschwindigkeiten, die nur minimal unter der Lichtgeschwindigkeit blieben, Goldionen aufeinander. Alicia hatte sich ihren sehnlichsten Wunsch, ein paar Tage an dieser gigantischen Anlage arbeiten dürfen, mit einem raffinierten Versuchsplan erfüllt. Sie wollte einen schwereren Atomkern auf die Rennbahn schicken und hoffte, auf diese Weise mehr nutzbare Energie freizusetzen als je zuvor.
    Die Schwierigkeit bestand darin, daß die schwereren Kerne dazu tendierten, in radioaktive Teile zu zerfallen. Die Natur fügte beim Bau ihrer Atomkerne für jedes Proton mehrere ungeladene Neutronen ein, um zu verhindern, daß sich die geladenen Protonen gegenseitig abstießen. Diese Strategie funktionierte bis zumElement Gold, in bezug auf Stabilität die größte Errungenschaft der Schöpfung. Hier waren 118 Neutronen erforderlich, um 79 Protonen zusammenzuhalten. Mit insgesamt 197 Nukleonen – dem Sammelbegriff für Neutronen und Protonen – gehörte Gold zu den schwersten Elementen überhaupt. Schon unwesentlich schwerere Kerne zerfielen mit der Zeit. Bei einigen, den radioaktiven Elementen war das Sterben ein Dauerzustand.
    Auf der Suche nach einem Kompromiß, der dem Bedürfnis nach Masse Rechnung trug, aber die
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