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Corum 04 - Das kalte Reich

Corum 04 - Das kalte Reich

Titel: Corum 04 - Das kalte Reich
Autoren: Michael Moorcock
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sich zu Rhalinas Lebzeiten zu sehr an die Gesellschaft von Mabden gewöhnt hatte. Über die Ironie, die in dieser Einsamkeit lag, würde er einmal Gedichte schreiben oder Bilder malen oder Musik komponieren. Für all das standen ihm besondere Räume auf Burg Erorn zur Verfügung.
    Und so wurde sein Verhalten mit den Jahren immer seltsamer.
    Er wurde ein Einzelgänger. Seine Gefolgsleute, die jetzt nur noch aus Vadhagh bestanden, fragten sich, ob er nicht besser eine Vadhagh zur Frau nehmen sollte, mit der er Kinder haben könnte und durch die er vielleicht neues Interesse an Vergangenheit und Zukunft fände. Aber ihr Herr blieb unnahbar. Corum Jhaelen Irsei, der Prinz im scharlachroten Mantel, der geholfen hatte, die mächtigsten Götter zu besiegen und die Welt von manchen schrecklichen Ängsten zu befreien, ließ niemanden mehr an sich heran kommen.
    Seine Gefolgschaft lernte die Furcht kennen. Furcht vor Corum war es; Corum, mit seiner Binde über der leeren Augenhöhle, seiner Auswahl an künstlichen Händen (alle von ihm selbst mit größter Kunstfertigkeit angefertigt), dem einsamen Wanderer durch mitternächtliche Hallen, dem schwermütigen Reiter in den winterlichen Wäldern.
    Und auch Corum kannte Furcht. Er fürchtete die leeren Tage, die einsamen Jahre, die er endlos langsam verstreichende Jahrhunderte hindurch auf den Tod warten mußte.
    Er überlegte, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, aber irgendwie erschien ihm eine solche Tat wie ein Frevel an der Trauer um Rhalina. Er dachte darüber nach, sich auf eine neue Abenteuerfahrt zu begeben, aber in dieser warmen, milden und ruhigen Welt gab es keine fernen Länder mehr zu erkunden. Selbst die grausamen Krieger von König Lyr-a-Brode waren in ihre Heimat zurückgekehrt und dort zu Bauern, Kaufleuten, Fischern oder Bergleuten geworden. Nirgendwo drohte ein Feind, nirgendwo gab es Unrecht oder Unterdrückung. Nachdem ihnen ihre Götter genommen worden waren, wurden die Mabden ein freundliches und weises Volk.
    Corum rief sich die alten Freuden seiner Jugend ins Gedächtnis. Er hatte die Jagd geliebt. Aber jetzt war ihm alle Freude vergangen, die er einst dabei empfunden hatte. Er war selbst zu oft während seines Kampfes gegen die Schwertherrscher der Gejagte gewesen, als daß er noch etwas anderes als Mitleid für eine verfolgte Kreatur aufbringen konnte. Damals war er auch gerne geritten. Die lieblichen Gefilde von Burg Erorn landeinwärts hatten ihn immer wieder bezaubert. Aber seine jugendliche Lebensfreude war längst verschwunden. Doch auch jetzt ritt er noch oft.
    Er ritt durch die Laubwälder am Fuß der Klippen, auf denen sich Burg Erorn erhob. Manchmal führte ihn sein Ritt sogar bis in das tiefe, grüne Moor hinter den Wäldern mit seinem dichten Stechginster, seinen Habichten, seinem weiten Himmel und seiner Stille. Manchmal nahm er den Rückweg an der Küste entlang und ritt gefährlich nahe am Rande der zerklüfteten Klippen. Weit unter ihm donnerten die hohen, schaumgekrönten Wellen gegen die Felsen, und manchmal wehte die Gischt bis zu ihm hinauf. Aber er spürte das Salzwasser nicht mehr auf seinem Gesicht, obwohl ihm gerade dieses Gefühl in seiner Jugend ein wildes Vergnügen bereitet hatte.
    An den meisten Tagen verließ Corum Burg Erorn gar nicht. Weder Sonne noch Wind, noch das Prasseln des Regens lockten ihn aus den düsteren Gemächern, die in den Tagen, als seine Familie sie bewohnt hatte und später Rhalina, von Liebe und Licht und frohem Lachen erfüllt gewesen waren. Manchmal erhob er sich den ganzen Tag über nicht einmal aus seinem Stuhl. Sein hoher, schlanker Körper lehnte sich weit zurück, sein schön geschnittenes Gesicht ruhte auf der kräftigen Faust und sein verbliebenes mandelförmiges Auge mit der gelben Pupille und der purpurnen Iris starrte in die Vergangenheit; eine Vergangenheit, die von Tag zu Tag mehr verblaßte, während er sich voll Verzweiflung bemühte, jedes Detail der gemeinsamen Jahre mit Rhalina für immer im Gedächtnis zu behalten. Ein Prinz der großen Vadhagh, der sich nach einer sterblichen Frau sehnte. Bevor die Mabden gekommen waren, hatte es niemals Geister auf Burg Erorn gegeben.
    Und manchmal, wenn Corum nicht um Rhalina trauerte, wünschte er sich, Jhary-a-Conel hätte sich nicht entschieden, diese Ebene zu verlassen, denn Jhary schien wie er selbst unsterblich zu sein. Der selbsternannte Gefährte von Helden konnte sich offenbar nach Belieben durch alle fünfzehn Ebenen der Existenz
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