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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11
Autoren: Guillou
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einer veränderten Welt nach 9/11 der allerwichtigste Job im MI6. Der Kalte Krieg sei beendet, und somit wäre es auch weitgehend aus mit dem traditionellen Sport, in Osteuropa Agenten zu rekrutieren – aus und vorbei mit der ganzen feinen, alten Geheimniskrämerei. Und es sei ja bekannt, dass es Sir Evan missfiele, dass moderne nachrichtendienstliche Arbeit sich mehr auf die Technik als auf menschliche Quellen stütze. Außerdem agiere der neue Feind global, was einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit erfordere, blablabla, und der heutige Krieg sei asymmetrisch, blablabla – das übliche Geschwafel. Flugzeugträgergeschwader könnten nun mal keine Gruppe von religiösen Fanatikern daran hindern, auf Big Ben zu klettern und sich in die Luft zu sprengen.
    Der konservative Sir Evan hielt den Kampf um die Rohstoffreserven auf der Erde, den good old imperialism, für bedeutend wichtiger als diese grassierende Panikkampagne wegen der Terroranschläge. Doch obwohl seine Analyse auf einer dreißigjährigen Laufbahn im britischen Geheimdienst beruhte, war sie kaum dazu angetan, politische Entscheidungsträger zu beeindrucken, die lieber auf die Boulevardpresse hörten.
    Es lag Sir Evan jedoch fern, seinem Ärger über diese falsche Gewichtung geheimdienstlicher Arbeit in den westlichen Staa­ten Luft zu machen, solange der unglückselige oder zumindest mäßig brillante George W. Bush dem Terrorismus den Kampf angesagt hatte. Ebenso wenig wäre ihm eingefallen, sich über das plötzliche Stagnieren seiner Laufbahn zu beklagen. Wenn sich die rechte Gelegenheit bot, würde er die Karriereleiter schon noch um ein paar Dienstgrade hochklettern. Und dafür war es unverzichtbar, nie als Jammerlappen dazustehen.
    Folglich empfing er den ihm direkt unterstellten Verbindungsoffizier Lewis MacGregor in bester Laune, um nicht zu sagen enthusiastisch. Aus Erfahrung hielt er es für nötig, den jungen MacGregor auf das Treffen mit seinem palästinensischen Wider­part Mouna al-Husseini vorzubereiten. Ansonsten bestand das nicht unerhebliche Risiko, dass MacGregor zu tief in ihre dunklen Augen blickte und vergaß, wen er vor sich hatte.
    »Eine Sache muss Ihnen verdammt klar sein, junger Mann«, begann Sir Evan. »Sie haben es nicht mit einer schönen Frau zu tun, jedenfalls nicht nur. Nebenbei ist sie nicht ganz Ihre Altersklasse. Aber in erster Linie ist sie eine mit allen Wassern gewaschene Mörderin. Ist das klar?«
    »Ja, Sir, absolut«, antwortete MacGregor.
    »Ich habe ihre Akte hier, die können Sie sich später angucken, obwohl sie wahrscheinlich unvollständig ist. Es dürfte jedoch daraus hervorgehen, dass wir es mit einer außerordentlich gebil­deten Frau mit sehr langem Atem zu tun haben. Ihren ersten Israeli tötete sie im Alter von acht Jahren, sie hat in Gaza Handgranaten geworfen …, wurde von Mohammed Odeh, besser bekannt als Abu Daoud, persönlich entdeckt, dem Mann hinter dem Anschlag von München 1972, dem militärischen Vater des palästinensischen Geheimdienstes, wenn man die Sache vorsichtig ausdrücken möchte. Sie hat eng mit Ali Hassan Salameh zusammengearbeitet, der die Force 17 gründete und CIA-Verbindungsoffizier bei den Palästinensern war … ja, und so geht es weiter. Studium an der American University of Beirut … glauben Sie nicht, Sie könnten sich auf Ihre sprachliche Überlegenheit verlassen. Und dann Mord an … das ist vielleicht weniger interessant … dreijährige Ausbildung an einer russischen Spionageschule in Pjöngjang. Das klassische Zeug hat sie also drauf. Aber das Wichtigste ist wahrscheinlich … sie arbeitet schon seit längerem nicht mehr draußen bei Einsätzen, die Zeit der kleinen Morde hat sie sozusagen hinter sich. Sie hat sich im vergangenen Jahrzehnt im politischen Geheimdienst der PLO immer höhere Dienstgrade erworben. Obwohl sie eine Frau ist. Mag sein, dass man dem MI6 hin und wieder vorwirft, Frauen keine Chance zu geben, weil wir so ein … so eine Organisation sind … Aber eine Frau, die stellvertretende Chefin und Beauftragte für alle internationalen Verbindungen in einer arabischen Spionageorganisation wird, kann wahrlich kein Grünschnabel sein. Richtig?«
    »Vollkommen richtig, Sir, ich muss Ihrer Analyse wirklich zustimmen, Sir«, antwortete der ziemlich geplättete MacGregor. Einerseits, weil er sich wie ein kleiner Junge behandeln lassen musste, obwohl er beachtliche Mühe darauf verwendet hatte, sich in Mouna al-Husseinis Akte einzulesen, und
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