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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Autoren: Elisabeth Florin
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Kick. Dafür war sie ja schließlich in die Kommunikationsbranche gegangen. Doch damit ist es jetzt aus und vorbei, weil ich weg vom Fenster bin, nicht mehr relevant, dachte sie. Keiner wird mir mehr irgendwas erzählen. Und, noch schlimmer, bald will mich keiner mehr kennen. Lissie kam sich vor wie eine Schnittblume, die den Kopf hängen ließ, weil irgend so ein Idiot das Wasser aus der Vase ausgegossen hatte.
    Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder und Szenen auf. Sie versuchte sie mit Gewalt wegzuschieben, aber es klappte nicht. Lissie sah sich den langen Mittelgang des großen Konferenzraums entlanggehen, ganz nach vorn zum Pult. Sämtliche Bereichsleiter der Bank drehten sich nach ihr um. Jetzt hast du’s wirklich geschafft, hatte sie damals triumphiert. Und nicht begriffen, wie abhängig ihre Stellung vom Wohlwollen ihres Chefs war. Ihr Damaliger hatte ihr von der ersten Sitzreihe aus noch zugeflüstert: »Lissie, go for it! The sky is the limit! « Dabei hatte er da schon den neuen Job gehabt und gewusst, was auf sie zukam. Verlogenheit, wohin man schaute.
    Oben zu sein und runterzublicken, wie hatte sie das genossen. In der einsetzenden Dämmerung hatte sie aus den bodentiefen Fenstern ihres Büros im siebenunddreißigsten Stock auf die Leuchtstreifen der Autos und auf das Meer von Schirmen weit unter ihr geschaut und fasziniert das Gegaukel der Blätter beobachtet, die der Wind bis zu ihr heraufwirbelte und dann mit einem Mal wieder nach unten stieß. Jetzt hat auch mich so eine Böe voll erwischt, dachte sie.
    Lissie schloss die Augen eine Sekunde und merkte gerade noch rechtzeitig, dass ein entgegenkommender Wohnwagen um ein Haar den Außenspiegel ihres Wagens abgerissen hätte. Sie musste endlich besser aufpassen. Obwohl das Hochgebirge längst hinter ihr lag, blieb die Straße serpentinenreich, mit vielen Engstellen und überraschenden Kurven. Widerwillig ließ sich Lissie von der Szenerie gefangen nehmen. Den rechten Straßenrand säumten Obstgärten und traumhaft schöne Wiesen, durch die der Wind fuhr und Furchen durch die Gräser und wilden Frühlingsblumen zog. Auf der linken Seite bogen immer wieder steile, unbefahrbar erscheinende Sträßchen zu einzelnen Gehöften weit oben am Hang ab. Lissie hörte Schmelzwasser rauschen, vermutlich auf dem Weg zur Passer, die sich durchs Tal schlängelte.
    Wieder umrundete Lissie eine Felsnase. Hinterher hätte sie nicht sagen können, was ihr einen größeren Schrecken versetzte: der zerschrammte rote Alfa, der kaum dreißig Meter vor ihr auf dem Dach am Straßenrand lag, oder das Schleudern ihres eigenen Wagens, als sie die Bremse automatisch voll durchtrat. Ihr Wagen brach mit dem Heck aus und drehte sich um die eigene Achse. Mit Mühe brachte sie ihn ein paar Meter hinter dem Unfallwagen auf der Wiese zum Stehen.
    Mit wild klopfendem Herzen stieg Lissie aus und landete mit ihren Wildlederschuhen im Matsch aus Gras und zerdrückten Blumen. Der Wiesenrand war von tiefen Bremsspuren durchpflügt. Auf dem Asphalt lagen Chromteile, Erdbrocken und Glassplitter herum.
    Lissie rannte auf den Wagen zu und merkte, dass sie nicht die Erste am Unfallort war. Ein drittes Auto stand am Straßenrand, und ein älterer Mann half dem Fahrer dabei, sich vorsichtig aus dem zerborstenen Fenster herauszuzwängen. Gut, dass der Unglücksrabe ziemlich dünn und nicht allzu groß war, Lissie schätzte ihn als nicht älter als achtzehn. Wahrscheinlich hatte er gerade den Führerschein gemacht. Lissie bückte sich, um ins Wageninnere zu schauen, und atmete erleichtert auf. Es war niemand mehr drin.
    »Kann ich helfen?«, rief sie dem Älteren zu. Der nickte aufgeregt und zeichnete die Form eines Dreiecks in die Luft.
    »Holen Sie Ihr Warndreieck raus, sofort«, schrie er, »sonst passiert hier noch mehr!«
    Lissie schalt sich, dass sie nicht von allein daran gedacht hatte. Schnell holte sie das Dreieck aus dem Kofferraum und drückte es dem Mann in die Hand. Dann zögerte sie kurz, warf dem Fahrer einen prüfenden Blick zu und nahm noch eine Decke aus dem Wagen. Der Junge tapste wie orientierungslos ein paar Schritte hin und her. Schließlich knickte er mit den Knien ein und ließ sich ins Gras sinken.
    Lissie beugte sich über ihn. Der Kleine bebte am ganzen Körper, und in seinem dürren Hals zuckte der Adamsapfel auf und ab. Als sie ihm die Decke um die Schultern legte, linste er zu ihr hoch. Das geflüsterte »Danke« war so leise, dass Lissie es kaum hören konnte. Seine Stirn
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