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Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Titel: Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
Autoren: Andrea Camilleri
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Stunden am Tatort zu erscheinen, und er dadurch viel Zeit verlieren würde. Er beschloss, die Zeit etwas zu raffen.
    »Gib mir das Handy«, sagte er zu Galluzzo, der vor ihm saß.
    Am Steuer saß natürlich Gallo. Er wählte die Nummer von Giudice Tommaseo.
    »Hier ist Montalbano. Signor Giudice, der anonyme Anruf war kein Scherz. Wir haben in der Villa leider eine weibliche Leiche gefunden.«
    Seine Mitfahrer reagierten unterschiedlich. Gallo geriet ins Schleudern, raste auf die Gegenfahrbahn, streifte einen mit Betoneisenstangen beladenen Laster, fluchte und fuhr wieder auf seine Straßenseite zurück. Galluzzo schrak hoch, riss die Augen auf, verrenkte sich über die Rückenlehne zu seinem Chef hin und glotzte ihn mit offenem Mund an. Fazio erstarrte spürbar und stierte ausdruckslos vor sich hin.
    »Ich komme sofort«, sagte Giudice Tommaseo. »Sagen Sie mir genau, wo das Haus ist.«
    Montalbano war immer mehr genervt und gab Gallo das Handy.
    »Erklär ihm genau, wo das ist. Und dann sagst du Dottor Pasquano und der Spurensicherung Bescheid.«
    Fazio machte den Mund erst wieder auf, als der Wagen hinter dem flaschengrünen Twingo hielt.
    »Hatten Sie Handschuhe an?«
    »Ja«, sagte Montalbano.
    »Dann sollten Sie, wenn wir jetzt reingehen, sicherheitshalber alles mit bloßen Händen anfassen und so viele Fingerabdrücke hinterlassen, wie es nur geht.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte der Commissario.
    Von dem Zettel, der unter dem Scheibenwischer klemmte, war nach dem nächtlichen Unwetter nicht mehr viel übrig, die Telefonnummern waren von der Nässe ausgelöscht.
    Montalbano ließ ihn stecken.
    »Ihr beide schaut hier unten«, sagte der Commissario zu Gallo und Galluzzo.
    Er selbst ging, gefolgt von Fazio, in den oberen Stock.
    Im Schein des elektrischen Lichts machte der Körper der Toten weniger Eindruck auf ihn als in der vorigen Nacht, als er ihn im diffusen Licht der Taschenlampe nur undeutlich gesehen hatte: Er schien weniger wirklich, wenn auch nicht direkt künstlich. Der Leichnam war bläulich-weiß und starr und ähnelte den Gipsabdrücken der Opfer des Vulkanausbruchs von Pompeji. Die Frau lag mit dem Gesicht nach unten, man konnte es also nicht sehen, aber sie musste sich heftig gegen ihren Tod gewehrt haben, blonde Haarbüschel lagen verstreut auf dem zerrissenen Leintuch, an den Schultern und direkt unter dem Nacken waren auffallende Blutergüsse, der Mörder musste seine ganze Kraft aufgewandt haben, um ihr Gesicht nach unten zu drücken, bis es so tief in der Matratze versunken war, dass kein Lufthauch mehr durchdrang.
    Gallo und Galluzzo kamen aus dem Erdgeschoss nach oben.
    »Unten scheint alles in Ordnung zu sein«, sagte Gallo.
    Sie sah zwar aus wie ein Gipsabdruck, war und blieb aber eine ermordete junge Frau, nackt und in einer Haltung, die Montalbano plötzlich unerträglich obszön fand, eine Intimität, die von acht Polizistenaugen verletzt und entblößt wurde. Fast als wollte er der Toten ein Minimum an Persönlichkeit und Würde zurückgeben, fragte er Fazio:
    »Hast du erfahren, wie sie hieß?«
    »Ja. Wenn das Signora Licalzi ist, hieß sie Michela.«
    Montalbano ging ins Bad, nahm den rosa Bademantel, trug ihn ins Schlafzimmer und deckte die Tote zu.
    Er ging ins Erdgeschoss. Wenn sie noch am Leben wäre, hätte Michela Licalzi mit der Einrichtung der Villa noch ganz schön viel zu tun gehabt.
    Im Salon lehnten in einer Ecke zwei zusammengerollte Teppiche, Sofa und Sessel waren fabrikneu und noch in Zellophan verpackt, ein Tischchen lag mit den Beinen nach oben auf einem ungeöffneten großen Karton. Das Einzige, das fertig eingeräumt zu sein schien, war eine kleine Vitrine, in der die üblichen Ausstellungsstücke hübsch angeordnet waren: zwei alte Fächer, ein paar kleine Keramikfiguren, ein geschlossener Geigenkasten, wunderschöne Muscheln von Sammlerwert.
    Als Erstes trafen die Leute von der Spurensicherung ein.
    Questore Bonetti-Alderighi hatte Jacomuzzi, den früheren Chef der Truppe, durch den jungen Dottor Arquà aus Florenz ersetzt. Jacomuzzi war erst in zweiter Linie der Chef der Spurensicherung gewesen, in erster Linie war er ein unheilbarer Exhibitionist, allzeit bereit, sich vor Fotografen, Kameraleuten, Journalisten in Szene zu setzen. Montalbano hatte sich oft über ihn lustig gemacht und ihn »Pippo Baudo« genannt. Dass kriminaltechnische Untersuchungen einen Beitrag zu Ermittlungen leisteten, glaubte der Commissario eigentlich nicht recht: Er
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