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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe
Autoren: Donna Leon
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die Schulter und glitt an Vianello und Brunetti vorbei auf den Flur hinaus.
    »Was gefunden?«, fragte Brunetti und sah prüfend über die mit Puder bestäubten Flächen, fast als fordere er Marillo auf, seinem Blick zu folgen und - genau da - etwas zu entdecken, was die ganze Sucherei lohnend erscheinen lassen würde.
    Wieder einmal fand Brunetti es nahezu unbegreiflich, wie man aus dem eingestäubten Durcheinander von Finger- und Handabdrücken, das sich bisher noch an jedem Tatort gezeigt hatte, irgendwelche zuverlässigen Schlüsse ziehen konnte. Etwas Puder war in die offene untere Schublade gerieselt, wo man Spuren davon auf dem Durcheinander von Seidenschals und Pullovern erkennen konnte.
    »Sie wissen, über so etwas rede ich nicht gern, Signore«, antwortete Marillo schließlich mit merklichem Zögern. »Das heißt, bevor ich meinen Bericht geschrieben habe.«
    »Ja, ich weiß, Marillo«, sagte Brunetti. »Und so soll es auch sein. Ich frage mich nur, ob Sie irgendeinen Hinweis geben können, wie gründlich Vianello und ich Vorgehen sollen, wenn wir ...« Er brach ab und machte eine vage Handbewegung, als bitte er die Schubladengriffe, Marillo über das Innenleben der Kommode aufzuklären.
    Der andere Kriminaltechniker, der noch neben dem Bett kniete und mit einer Lampe darunter herumgeleuchtet hatte, blickte jetzt auf und sah erst Brunetti und dann seinen Vorgesetzten an. Als Antwort auf diesen Blick schüttelte Marillo [37]  den Kopf und machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen.
    »Also wirklich, Stefano«, versuchte der Techniker gar nicht erst, seine Gereiztheit zu verbergen. »Die sind auf unserer Seite. Er will das doch nur aufklären.« Brunetti fragte sich, ob das nur eine Redensart war oder ob es inzwischen wirklich so weit war, dass Polizisten sich gegenseitig ihrer Integrität versichern mussten.
    Marillo erstarrte, entweder weil einer seiner Leute ihn vor seinem Vorgesetzten so zurechtwies oder bei der Vorstellung, eine Meinung äußern zu müssen, statt einfach zu berichten, was man beobachtet und protokolliert hatte. »Wir nehmen hier nur Fingerabdrücke und machen Fotos, Dottore. Leuten wie Ihnen und Vianello obliegt es, unsere Ergebnisse zu deuten.« Das mochte sich nach Widersetzlichkeit oder Hinhaltetaktik anhören; tatsächlich stellte Marillo damit nur klar, was er für seine - und ihre - Pflicht hielt.
    »Meine Güte«, sagte der andere, immer noch auf Knien neben dem Bett. »Wir haben Hunderte Wohnungen untersucht, Stefano, und wir wissen beide, dass hier nichts Verdächtiges ist.« Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber Marillo brachte ihn mit einem wütenden Blick zum Schweigen. Den beunruhigenden Anblick der Leiche hatte Brunetti inzwischen verdaut, und die Bemerkung des Mannes bestärkte ihn nur in seinem Verlangen, Tatsachen zu analysieren und nicht Gefühle. Hier war kein Einbrecher am Werk gewesen - zumindest keiner von der Sorte, wie sie in Venedig unterwegs war. Wer hier nach Gold, Schmuck oder Bargeld gesucht hätte, würde die Schubladen herausgerissen, [38]  ihren Inhalt auf den Boden gekippt und überall verstreut haben, damit ihm bloß nichts entging. Diese untere Schublade hingegen sah für Brunetti nicht schlimmer aus als die seiner Tochter, nachdem sie dort nach einem bestimmten Pullover gesucht hatte. Oder die seines Sohns.
    Der Kriminaltechniker neben dem Bett krabbelte polternd über die Dielenbretter, um den Stecker seiner Lampe zu ziehen. Langsam stand er auf, wickelte umständlich das Kabel um den Griff und schlang den Stecker unter die letzte Windung. »Ich bin hier fertig, Stefano«, sagte er barsch.
    »Das wär’s«, sagte Marillo hörbar erleichtert. »Ich bringe die Fotos Bocchese; er kann dann auch gleich die Fingerabdrücke überprüfen. Da sind jede Menge, manche wie gemalt. Er wird Ihnen den Bericht schicken, Signore.«
    »Danke, Marillo«, sagte Brunetti.
    Marillo nahm den Dank seines Vorgesetzten mit verlegenem Nicken entgegen, beschämt über seine mangelnde Hilfsbereitschaft. Der andere folgte ihm zur Tür, wo der dritte Techniker schon Kamera und Blitzlicht einpackte. Zusammen verstauten sie den Rest ihrer Ausrüstung. Als sie fertig waren, sagte Marillo nur noch gute Nacht und verließ mit seinem Team, das stumm blieb, die Wohnung.
    »Ich seh mir das noch zu Ende an«, sagte Brunetti und ging in das Gästezimmer zurück. Vorhin war ihm nur aufgefallen, wie schlicht das Zimmer war, jetzt aber hatte er Zeit, sich genauer umzusehen, und stellte
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