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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender
Autoren: Stephen Fry
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rümpft, daß ihre Staatsoberhäupter statt üppiger Diners mit einer gekrönten Monarchin zukünftig in Präsident Hattersleys Residenz zum Lunch gebeten werden oder mit Lady Thatcher in irgendeinem umbenannten Palast des Volkes Tee nippen. Mit einem Mal hätte Britannien keinen absurden kleinen Makel, der für seine Verfehlungen, die natürlich einzig in der menschlichen Unvollkommenheit begründet liegen, herhalten könnte. Umgekehrt wären wir ein gutes Stück weiter, wenn wir uns nur den tatsächlichen Defekten widmeten; wenn wir uns eingestehen könnten, daß es der fehlende politische Wille ist, der das Ziel größerer sozialer Gerechtigkeit behindert, anstatt alles ein paar harmlosen Auswüchsen und schrulligen Eigenarten zuzuschreiben. Das Problem kosmetischer Operationen ist, daß man immer nur kosmetische Erfolge erzielt, die, wie uns das Beispiel reicher Amerikanerinnen lehrt, lächerlich, peinlich und abschrekkend sind. Aber natürlich bin ich ein Sentimentalist und als solcher dankbar für jede Ausrede, um für den Fortbestand der harmlosen Verschrobenheiten des Status quo zu streiten.
    Hoppla, wir haben unsere Schäfchen ganz aus den Augenverloren, wie die Franzosen sagen. Also, ich besuchte Chesham Prep, war sechs Jahre alt, hatte eine florierende krumme Knolle im Gesicht und war gerade dabei, den Jungen vom Kap vorzustellen.
    Meine Klassenlehrerin in Chesham Prep, Mrs. Edwards, teilte an alle Schüler Kalligraphiestifte aus, die wir mit einem Messer anspitzen durften. Sie selbst schrieb mit einem flachen Stück Kreide auf der Tafel, wobei Kalligraphieschrift ihr Thema, ihre Botschaft, ihre Mission und ihre Leidenschaft war. Bevor wir auch nur unseren Namen schreiben durften, mußten wir Seite um Seite in unseren Schmierheften üben, zuerst einfache Wellenlinien, auf und ab, auf und ab, auf und ab, dann die einzelnen Buchstaben des Alphabets und zum Schluß die verbundenen Buchstaben des Alphabets in der vorgegebenen Weise. Noch heute kaufe ich mir etwa jedes halbe Jahr im Schreibwarenladen ein Osmiroid-Kalligraphieset und übe, dick dünn, dick dünn, dick dünn. Ich ziehe Hilfslinien, zwischen die ich die Buchstaben des Alphabets setze, und dann schreibe ich meine alten Lieblingswörter von damals. Besonders begeistern konnte ich mich schon immer für die Art, wie man die Punkte auf die Buchstaben ›i‹ und ›j‹ setzt, nämlich –
    i j
    – so daß ich einen Riesenspaß an Wörtern wie
    jiving – skiing – Hawaii – jiujitsu habe, am meisten aber an
    Fiji – Fijian
    Ein paar Tage kritzle ich vor mich hin, bis ich vergesse, die Kappe auf die Stifte zu stecken, so daß die Feder eintrocknet und die Spezialtinte zäh wie Gummi wird. Eine Woche später landet das ganze Set im Müll, und ich frage mich, wie ich überhaupt auf so eine Schnapsidee kommen konnte.
    Gegen Ende des letzten Semesters in Mrs. Edwards’ Klassestieß ein bildhübscher Blondschopf mit breitem Lächeln zu uns. Er stammte aus Kapstadt, und Mrs. Edwards war ganz vernarrt in ihn. Seine Kalligraphiebuchstaben waren so makellos wie sein Aussehen, was mich zwischen Ablehnung und Verzückung hin und her warf. Die Jungen, in die ich mich später verknallte, waren in der Regel gepflegt und wohlerzogen. Viel zu wohlerzogen für meinen Geschmack.
    Jede Bewegung und Geste des Jungen aus Kapstadt (der möglicherweise Jonathan hieß, sofern der Name des Verlagshauses Jonathan Cape meinem Gedächtnis hier keinen Streich spielt) erinnerte mich an mein eigenes unbeholfenes Geschmiere. Meine Aufstriche waren plump und unproportioniert, seine elegant und tadellos; meine Finger waren ständig tintenverschmiert, während seine immer blitzsauber und perfekt manikürt waren. Seine vorgestülpten Lippen waren damals ganz und gar sinnlich, auch wenn sie heute vermutlich jenes merkwürdig wulstig-feuchte Aussehen haben, das für die Ex-Kolonisten der südlichen Hemisphäre genauso typisch ist wie rotblonde Wimpern und breite Hüften. Wahrscheinlich sieht er heute so aus wie Ernie Eis oder Kerry Packer. Schade.
    Vielleicht setzte der Junge aus Kapstadt den Maßstab für alle meine späteren Liebesgeschichten. Seltsamer Gedanke. Bis zu diesem Moment habe ich nie an ihn gedacht. Ich hoffe nur, dieses Buch gerät nicht zu einer Art Regressionstherapie. Könnte ziemlich dröge für Sie werden. Mich würde allerdings interessieren, ob er immer noch so saubere Kalligraphiebuchstaben schreibt wie vor vierunddreißig Jahren.
    Aus Sex machte ich mir damals
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