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Collector

Collector

Titel: Collector
Autoren: Markus Heitz
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Nahrungsmittel und Saatgut zuständig war, ihn an. Sie trug ein grellrotes, knielanges Kleid, darüber einen weißen Umhang, den sie locker über die Schulter geworfen hatte. »Wenn man Sie wirklich nicht brauchte, würde ich Sie sofort von Hakup verjagen!«
    »Tja, wenn man mich nicht brauchte«, gab Antol gelassen zurück. Sie war seine Lieblingsgegnerin, seit er ihr vor der versammelten Kommission beschrieben hatte, wie herrlich sie sich in der Nacht gefühlt hatte, als sie nicht mit ihrem Mann geschlafen hatte. Sondern mit einem anderen. Dummerweise hatte ihr Gatte auch im Gremium gesessen, nun war sie geschieden und verbittert. Aber sie hatte ihn damals mit einem Spruch über seine Familie herausgefordert, was bei einem Mediator keine gute Idee war. Dass er es gewesen war, der mit Darakinta geschlafen hatte, verschwieg er bis heute. »Sie brauchen mich aber. Wer sonst könnte die Tiranoi verstehen?« Anatol schaute zu Zumi und ließ die Augenbrauen zucken.
    »Ja, einverstanden. Das Doppelte«, sprach er seufzend und resignierte. Er fuhr sich durch die langen grauen Haare und strich sie glatt nach hinten.
    »Danke.« Anatols Aufmerksamkeit stieg, das Ziehen im Nacken wurde zu einem hellen Stechen. Gleichzeitig fühlte sich sein Schädel an, als öffnete er sich wie das Dach eines Planetariums, um für die Gedanken der Fremden empfänglich zu sein. Das Verdienst des Interim-Syndroms.
    Anatol »verstand« Ahumane auf mentale Weise, wenn er längere Zeit in ihrer Nähe verbracht hatte und sich intensiv mit ihrem Denken beschäftigte. Er erlangte dadurch Aufschluss über ihre Vorstellungen und Gedanken, was ihn in die Lage versetzte, mit den Ahumanen mithilfe von Bildern und Metaphern psychisch zu kommunizieren. Die meisten von ihnen ließen sich auf ihn und seine Art des Sprechens ein, Ablehnung hatte er selten erfahren, und erst in zwei Fällen war er attackiert worden.
    Ihm erging es dabei wie manchen Kapitänen der LSP-Schiffe: Er hatte keine Ahnung, wie es funktionierte. Aber es funktionierte. Je schlimmer sein Interim-Syndrom wurde, desto besser. Ironie pur.
    Die sind mies drauf. Anatols erster Eindruck von den Tiranoi war nicht gut. Er benötigte eine Minute, um sich wieder an die speziellen Muster und Bilder der Rasse zu gewöhnen. Dazu ließ er deren Impressionen und Gedanken wahllos auf sich einprasseln, ehe er seine Suche auf ein bestimmtes Ziel lenkte: die Verhandlungen. »Sie sind verstimmt, weil die letzte Lieferung von Sorulit-Protoplasma verdorben ist, bevor sie vollständig aufgebraucht war. Laut Haltbarkeitsdatum ein halbes Jahr zu früh«, sondierte er aus den Gedanken. »Sie wollen Entschädigung.«
    Zumi und die Kommission berieten sich kurz. »Sagen Sie unseren geschätzten Handelspartnern, dass wir für die mangelhafte Ware die volle Verantwortung übernehmen und ihnen die Menge ersetzen.«
    Anatol nickte und übersetzte stattdessen: »Die Hälfte wird erstattet. Die Lagerung war mangelhaft.«
    Verständlicherweise regten sich die Tiranoi lautstark darüber auf, was bei ihnen klang, als würde eine Schar Büffel durch einen Flusslauf getrieben und gleichzeitig gebrandmarkt. Keine schönen Laute.
    Zumi sah sehr beunruhigt aus. »Was ist, Mister Lyssander?«
    Er täuschte der Kommission vor, die Gedanken zu lesen, indem er einen der Ahumanen anstarrte. »Sie akzeptieren nicht. Sie möchten mehr haben, weil es sie sehr viel Anstrengung kostete, mit der verringerten Menge an Protoplasma über die Runden zu kommen«, log er routiniert. »Und ich kann Ihnen versichern, Mister Zumi: Die sind stinksauer! Ich spüre, dass sie die Verhandlungen gleich platzen lassen.« Er schloss theatralisch die Augen. »Moment! Einer von ihnen denkt gerade an Willheim, den Handelsminister von Eriban.« Er schaute von einem Delegierten zum nächsten.
    Darakinta ließ Anatol nicht aus den Augen. Sie belauerte ihn. Ihm kam es vor, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. Das kann sie nicht, sagte er sich beruhigend.
    »Wusste ich es doch!«, rief einer aus der Kommission. »Eriban ist in Sachen Protoplasma gleichauf, seit sie einen Spion in unsere Fabrik eingeschleust hatten. Diese europäischen Bastarde von der FEC booten uns aus!«
    Anatol übersetzte den Tiranoi, dass Hakup ihr Benehmen unglaublich dreist fände und dass sie davor standen, die Verhandlungen abzubrechen, woraufhin sie noch lauter wurden. Er lächelte, lehnte sich in dem Stuhl zurück und betrachtete das Durcheinander zufrieden. Eine Hand spielte mit
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