Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Code Delta

Code Delta

Titel: Code Delta
Autoren: Jeremy Robinson
Vom Netzwerk:
ihnen sucht?«
    »Dann sage ich die Wahrheit. Dass sie von Bord gingen und ich sie seitdem nicht wiedergesehen habe.«
    Das brachte beide Männer zum Lachen.
    »Ich glaube, sie hatten sowieso vor zu verschwinden«, meinte Dashkow. »Zusammen mit dem Mädchen.«
    »Wie lange noch bis an unser Ziel?«
    »Zwei Stunden.«
    Rook lächelte und ging zur Kabinentür. »Ich schneide sie los und verkünde die frohe Botschaft.«
    Rook stand wieder an der Reling, diesmal Seite an Seite mit der Frau, die er befreit hatte. Sie hatte lockige schwarze Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen. Ihre Gestalt war feminin und durchtrainiert. Aus ihren dunkelbraunen Augen leuchtete Intelligenz, und trotz der Verletzungen, die man ihrem Gesicht beigebracht hatte, war sie immer noch sehr gutaussehend und irgendwie vertraut. Rook konnte jedoch nicht sagen, was ihm bekannt vorkam, und hielt sich nicht lange bei dem Gedanken auf.
    Nach ihrer Befreiung hatte sie ein stilles »Dankeschön« gesagt, aber seitdem kein Wort gesprochen. Als Land voraus auftauchte, wandte sie sich zu ihm und wiederholte: »Danke schön.«
    »Brauchen Sie Hilfe, wenn wir an Land sind?«, fragte er. Einen Moment lang dachte er, sie würde nicht antworten, dann meinte sie jedoch: »Ich komme schon zurecht.«
    Sie sprach mit einem Selbstvertrauen, das Rook überzeugte. »Tut mir leid«, sagte er.
    Sie drehte sich verwirrt zu ihm um. »Was denn?«
    »Dass ich Sie nicht früher befreit habe.«
    Sie zuckte die Achseln. »Solche Dinge geschehen.«
    Da war sie wieder. Diese Vertrautheit. Irgendetwas an ihrem gleichmütigen Achselzucken. Oder lag es an ihrem Stoizismus gegenüber Gefangenschaft und Folter?
    Sie bemerkte seine Neugier. »Was ist?«
    »Es kommt mir so vor, als wären wir uns schon einmal begegnet«, sagte er.
    Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und sagte: »Nein.«
    Er war nicht überzeugt. »Wie heißen Sie?«
    »Asya«, antwortete sie. »Asya Machtcenko.«
    Nein. Das brachte keine Saite zum Klingen.
    Rook wandte sich wieder nach vorne und betrachtete das unscheinbare norwegische Dorf in der Ferne. Die kleine Ansammlung von Häusern sah nicht so aus, als beherberge sie eine Bevölkerung von mehr als tausend Personen. Eine einzige Stromleitung führte in den Ort, und es gab nur zwei Zugangsstraßen. An einem langen Pier, der in den Ozean hinausragte, lagen zehn Fischerboote.
    Dashkow stützte sich rechts von Rook mit den Ellenbogen auf die Reling. »Sie wollen da nicht wirklich hin. Ich fahre Sie noch ein bisschen weiter. In die Zivilisation.«
    »Warum?«, fragte Rook mit einem Blick auf den Flachmann in Dashkows Hand. »Ist es eine alkoholfreie Stadt?«
    Der Mann lachte nicht. »Es liegt ein Fluch auf dem Ort.«
    Rook sah ihn von der Seite an. »Was für ein Fluch?«
    »Wölfe«, sagte er. »Selbst hier draußen hört man sie in der Nacht heulen.«
    »Wölfe sind nicht so schlimm«, sagte Rook. Da er aus New Hampshire stammte, hatte er eine lang zurückreichende Liebesaffäre mit der freien Natur, und der Gedanke, unter Wölfen zu leben, gefiel ihm, egal, wie viel Angst andere Leute vor ihnen hatten.
    »Sie würden nicht so reden, wenn Sie sie gehört hätten«, versicherte Dashkow. »Ich habe nie zuvor so viel Angst verspürt.«
    »Aberglauben«, sagte Asya kopfschüttelnd. Sie glaubte auch nicht daran.
    »Wenn die Wölfe so eine Plage sind, warum wohnt dann überhaupt jemand hier?«, fragte Rook.
    Dashkow zuckte die Achseln. »Ich bin nie lange genug geblieben, um danach zu fragen. Niemand tut das.«
    »Dann kommen also nicht viele Besucher hierher?«
    Der alte Fischer runzelte die Stirn und nickte widerwillig. Er sah, dass Rooks Entscheidung feststand. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. »Bitte, Stanislaw. Ich werde nicht zurückkommen, um Sie zu holen.«
    Rook betrachtete das frostige, kahle Ufer. Der Ort wirkte wie ausgestorben, obwohl in ein paar Fenstern Licht brannte. Alles war still und, trotz Dashkows Geschichten von furchterregenden Wölfen, friedlich.
    » Niemand wird Sie holen kommen«, fügte Dashkow hinzu.
    Rook sah seinen neugewonnenen Freund an. »Darum geht es ja gerade.«
    Dashkow blickte an Rook vorbei in Asyas Augen. Sie nickte. Das Dorf war der perfekte Ausgangspunkt für sie beide. Dashkow steckte seinen Flachmann ein und machte sich auf den Rückweg ins Steuerhaus. »Ich werde ein letztes Mal in die andere Richtung sehen, Stanislaw. Für Sie. Für Galya.«
    Rook neigte dankend den Kopf. »Mehr verlange ich nicht.«
    86
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher