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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt
Autoren: Christopher Ross
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Sonne spiegelte sich in dem breiten Fluss und ließ ihn wie flüssiges Silber aussehen. An beiden Ufern war der Schnee von einem so blütenreinen Weiß, dass sie geblendet wurden. Zwei mächtige Elche stapften durch den Neuschnee und suchten nach Nahrung, hielten kurz in ihren Bewegungen inne, als würden sie etwas wittern, und liefen langsam weiter. Ihre bedächtige Gangart entsprach der Stille, die über dem gefrorenen Fluss lag, der Natur, die während des langen Winters wie erstarrt unter dem weiten Himmel lag.
    »Clarissa«, begann Sherburne, nachdem er mehrmals angesetzt, aber keinen Ton herausgebracht hatte. »Ich weiß, wie sehr Sie unter dem Verlust Ihres Mannes leiden und was Sie wegen Ihres Haftbefehls mitmachen mussten. Sie werden sicher noch einige Zeit brauchen, um sich von diesen Schicksalsschlägen zu erholen. Dennoch würde ich gerne …« Sein Redefluss geriet ins Stocken. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Clarissa … Ich habe Sie vom ersten Tag gemocht … Sie sind so ganz anders als die Frauen, die ich bisher kennengelernt habe … Ich mag Sie sehr, Clarissa, und würde … Ich meine …«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Paul«, erlöste sie ihn lächelnd. »Auch ich mag Sie sehr, und ich würde lügen, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich über die Frage, die Sie mir stellen wollen, nicht schon längst nachgedacht hätte. Ich mag Sie sehr, Paul, Sie sind bestimmt einer der besten Ehemänner, die man sich vorstellen kann. Aber Alex ist nicht tot, nicht für mich, und ich würde es als Verrat ansehen, jetzt schon wieder eine Bindung einzugehen.«
    »Ich will Sie nicht drängen, Clarissa, aber die Behörden sind sicher …« Er scheute sich, die Worte laut auszusprechen. »… sicher, die Leiche Ihres Mannes an der Küste gefunden zu haben. Wenn sie einen Totenschein ausstellen …«
    »Und ich war gestern sicher, meinen Mann vor dem Gemischtwarenladen gesehen zu haben.« Sie berichtete, wie sie dem Mann mit einem fremden Schlitten über den Yukon River gefolgt war. »Ich weiß, ich mache mir wahrscheinlich was vor und sollte der Realität ins Auge blicken, aber … Ich bin einfach noch nicht so weit. Vielleicht irgendwann … Wer weiß das schon.«
    »Ja … Vielleicht irgendwann«, wiederholte er enttäuscht.
    Sie küsste ihn auf die Wange. »Sie sind ein guter Mann, Paul.«
    Sie erreichten das Roadhouse am frühen Nachmittag. Das zweistöckige Blockhaus, größer als die meisten Häuser in Dawson City, stand zwischen einigen Schwarzfichten am Wegesrand und wirkte auch älter, als hätte man es schon vor vielen Jahren erbaut. Vor dem Haus parkten mehrere Hundeschlitten und zwei Pferdefuhrwerke. Kaum einer der Huskys sprang auf, als Sherburne den Schlitten bremste und den Anker in den Schnee bohrte, anscheinend waren sie schon ausgiebig gerannt am Morgen. Selbst durch die geschlossene Tür duftete es nach herzhaftem Eintopf und frischen Biskuits.
    Sherburne nahm den Rucksack und hielt ihr die Tür auf. Hintereinander betraten sie den geräumigen Gastraum. In dem klaren Sonnenlicht, das durch die beiden Fenster hereinfiel, wirkte er erstaunlich hell, und weil auch die Petroleumlampen auf dem langen Tresen und den fünf runden Tischen brannten, waren die Gesichter der Gäste deutlich zu erkennen. Alles Männer, wahrscheinlich Fallensteller und Goldsucher, die erstaunt aufblickten, als Clarissa ihre Fellmütze abnahm, und ihre langen Haare zum Vorschein kamen. Aus einer Ecke kam ein anerkennender Pfiff, und einer der Männer brummte etwas, das Clarissa nicht verstand, dann wandten sich alle wieder ihrem Essen zu. Anscheinend schmeckte ihnen der Eintopf und das Bier.
    »Clarissa, bist du’s wirklich?« Dolly war mit einer weiteren Schüssel Eintopf aus der Küche gekommen und ließ sie beinahe fallen, als sie Clarissa zur Tür hereinkommen sah. »Ich werde verrückt, du bist tatsächlich gekommen!«
    »Hallo, Dolly! Das ist Paul … Inspector Sherburne von den Mounties.«
    Dolly warf einen raschen Blick auf das Abzeichen des Mounties und beeilte sich, die Schüssel mit dem Eintopf auf einem der Tische abzustellen. Mit ausgebreiteten Armen eilte sie auf Clarissa zu. »Clarissa, lass dich drücken!«
    Sie umarmten einander, zwei Frauen, deren Himmel noch vor wenigen Monaten voller Geigen gehangen hatte, und die plötzlich allein auf der Welt standen und um eine neue Zukunft ringen mussten. Clarissa spürte, wie gut es tat, einen Menschen zu haben, der unter einem ähnlichen Schicksal litt
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