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Clara

Clara

Titel: Clara
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Vereinskneipe vom SV Siegfried Materborn seine Bierchen trank.
    Van Appeldorn legte den Hörer auf die Gabel. »Eine Wasserleiche bei den Ölwerken in Spyck«, meinte er säuerlich.

    Sie fuhren nach Griethausen, am Ortsende durch das dicke Tor im alten Deich, das bei Hochwasser geschlossen und mit Sandsäcken verstärkt wurde, um den Ort vor den Fluten des Rheins zu schützen. In den letzten beiden Jahren waren diese Bollwerke überall am Niederrhein bitter nötig gewesen. Sie überquerten den Altrhein, und Toppe staunte. »In all den Jahren, in denen ich jetzt hier wohne, war der aber noch nie so dick zugefroren.«
    »Es war ja auch schon ewig nicht mehr so lange richtig kalt bei uns«, meinte van Appeldorn, »aber als ich klein war, sind wir eigentlich jeden Winter Schlittschuh gelaufen. Auch auf dem Altrhein.«
    Er zeigte nach links auf die Eisenbahnbrücke, die schon vor etlichen Jahren stillgelegt worden war. »Das Ding haben die doch jetzt tatsächlich unter Denkmalschutz gestellt.«
    Toppe nickte. »Die hat ja auch was.«
    »Findest du?« Van Appeldorn bremste. »Für mich ist das bloß ein Haufen Schrott, der die Landschaft verschandelt.« Er schmunzelte. »Man muß wohl aus der Großstadt kommen, wenn man so was schön findet. Von wegen Industrieromantik.«
    Toppe hielt den Mund; er kannte das Spiel. Auch nach zwanzig Jahren galt man hier immer noch als Zugereister.
    Links ab ging es über den großen Banndeich nach Schenkenschanz. Die Wiesen dahinter waren gesprenkelt mit Bleßhühnern; gelbstrohige Felder an der rechten Seite, hin und wieder konnte man die Spuren des Pfluges in der gefrorenen Erde erkennen.
    Die verschachtelten Gebäude der Ölwerke tauchten vor ihnen auf, und die schmale Straße gabelte sich. Schräg links führte sie weiter zum Städtischen Klärwerk, geradeaus ging es direkt aufs Werksgelände. Toppe rümpfte die Nase. Der satte organische Geruch in der Luft war schwer zu ertragen. An der Weggabelung standen zwei niedrige Wohnhäuser. Toppe schüttelte sich. »Wie kann man hier bloß wohnen! Den Gestank hält doch kein Mensch aus, oder glaubst du, man gewöhnt sich daran?«
    Van Appeldorn zuckte die Achseln. »Das liegt am Ostwind, und den haben wir hier ja so gut wie nie.«
    Er fuhr durch das breite Tor auf den Hof. Die Verladerampe an der Rückseite des Hauptgebäudes hing wie ein abgeknickter Finger über dem Fluß, dicke, schmutziggelbe Schläuche wanden sich an den Seiten entlang.
    Vor dem Eingang standen dicht zusammengedrängt Männer in Arbeitskleidung. Sie waren bleich, und man konnte ihre Atemwolken sehen. Einer trat aus der Gruppe heraus, kaum daß Toppe die Wagentür aufgestoßen hatte.
    »Franz Claassen«, stellte er sich vor. »Ich und mein Freund haben die Leiche gefunden. Wenn Sie da um die Ecke rumgehen, kommen Sie direkt ans Ufer.«
    Van Appeldorn runzelte die Stirn, nickte knapp und verschwand in der angegebenen Richtung.
    »Guten Morgen«, gab Toppe dem Mann die Hand. »Um wieviel Uhr haben Sie die Leiche gefunden?«
    Franz Claassen überlegte gründlich.
    »Um Viertel nach neun«, sagte er schließlich. »Kann auch zehn nach gewesen sein.«
    »Gut«, meinte Toppe, »dann will ich auch erst mal schauen.«
    Er bog um die Ecke, sah van Appeldorns blasses Gesicht.
    Früher war es Toppe schwer gefallen, einen Leichnam genau zu betrachten, er hatte sich immer zwingen müssen, besonders bei Sektionen. In den letzten Jahren hatte er es sich angewöhnt, das Gesamtbild wie ein Foto in sich aufzunehmen, aber bei diesem Toten war das schwer. Jetzt wußte er auch, warum die Arbeiter so bleich aussahen; wahrscheinlich hatte jeder von ihnen einen Blick auf die Leiche werfen wollen.
    Er atmete tief durch, aber es half nichts, der fette Gestank in der Luft machte es nur noch schlimmer.
    Auf dem Strom war reger Verkehr. Ein schweres Containerschiff kämpfte sich stetig gegen die Strömung den Rhein hinauf, zwei kleinere Frachtschiffe glitten flußabwärts. Am Fuß einer Buhne, keine hundert Meter entfernt, klemmte schief das ausgebrannte Gerippe eines Lieferwagens.
    Eine männliche Leiche, das war das einzige, was man mit Sicherheit sagen konnte. Der größte Teil des Schädels fehlte, ein Stück Gesicht war noch da, ein Auge, zerfetzte Lippen, ein Ohr.
    »Rufst du den ED?« drehte sich Toppe zu van Appeldorn herum.
    »Was willst du denn hier für Spuren finden?«
    »Das sehen wir dann.« Toppe vergrub die Hände in den Manteltaschen und stand mit hochgezogenen Schultern.
    Van
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