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Clara

Clara

Titel: Clara
Autoren: Michael Koller
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diesen
azurblauen Augen, die mich voller Entsetzen anblickten.
    Es war
ebenso schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Und doch erschien mir die ganze
Attacke eine Ewigkeit zu dauern. Als sie endlich bewusstlos war, schulterte ich
sie und rannte zu meinem Auto. Jetzt zählte jede Sekunde.
    Ich öffnete
die hintere Tür an der Fahrerseite, zwängte sie ruppig auf die Rückbank, stieg
vorne ein und startete den Motor. Ohne das Licht anzumachen, manövrierte ich
den Wagen aus dem engen Parkplatz und bog schließlich in eine Verbindungsstraße
weg vom Grundstück der Bergmanns ein. Die gut zweihundert Meter bis zur
nächsten Kreuzung fuhr ich auf der falschen Seite, da sich hier noch immer eine
Grundstücksmauer mit Kameras befand. Erst als ich diese Straße verlassen hatte,
wechselte ich wieder in den normalen Verkehr. Aber ich war ohnehin alleine
unterwegs. Es war Heiligabend. Nicht einmal die Polizeistreifen hatten
Interesse an einer Dienstfahrt. Dennoch, Eile war geboten. Ein Mercedes mit
angemachtem Licht, offener Tür, Handy und Damentasche, verstreut am
Bürgersteig, würde nicht lange unentdeckt bleiben. Auch nicht an Weihnachten.
Und schließlich hatte Clara ja auch geklingelt. Hatte das etwa niemand gehört?
Wie auch immer. Ich fuhr zügig, aber nicht zu schnell. Bloß keine unnötige
Aufmerksamkeit erregen.
    Das
Villenviertel verschwand, und ich erreichte die ersten Vororte Wiens.
Schließlich verschwanden auch diese, und ich fuhr auf offener Landstraße. Ich
mied die Autobahn und ihre Überwachungssysteme. An einem kleinen, verlassenen
Rastplatz blieb ich stehen und wechselte die am Morgen gestohlenen
Nummernschilder gegen meine eigenen aus. Man konnte nie wissen. Das Klauen der
Schilder war einfach und ungefährlich. Bei jeder meiner Fahrten zu Clara hatte
ich diese Vorsichtsmaßnahme getroffen. Immer in der Hoffnung auf den richtigen
Augenblick. Der nun gekommen war. Völlig unverhofft. An einem Tag, der besser
nicht sein konnte.
    Clara schien
immer noch bewusstlos zu sein. Doch ich ging auf Nummer sicher, fesselte Arme
und Beine mit Kabelbindern und steckte ihr einen Knebel in den Mund. Fast war
ich gewillt, ihn zu küssen. Diesen honigsüßen, knallroten Lippenstiftmund. Aber
ich ließ es sein, ließ noch einmal meine Blicke über ihren Körper schweifen und
warf letztendlich eine große, dicke Decke darüber. Es war Zeit, von hier zu
verschwinden. Es war Zeit, sie nach Hause zu bringen.

Kapitel 3 –
Erwachen

 
    1

 
    Stille und
Dunkelheit. Das erwartete Clara, als sie erwachte und benommen ihre Augen
öffnete. Ein stechender Geruch lag in ihrer Nase. Wieso war ihr Bett so hart?
Sie tastete nach der Nachttischlampe, doch da war nichts. Kein Nachttisch,
keine Lampe. Wo war sie? Was war passiert? Schemenhaft kamen die Erinnerungen
zurück. Das Tor war nicht aufgegangen. Verdammter Hausmeister. Aber was war
dann geschehen? Ein wutverzerrtes Gesicht, ein weißes Tuch, ein schummriger
Schleier. Und dann nichts mehr. Panik überkam sie. Sie sprang auf, raus aus
diesem Bett. Hektisch trippelte sie mit ausgestreckten Armen herum. Die
Dunkelheit war absolut, schwärzer als der Nachthimmel jemals sein konnte. Immer
wieder stieß sie an Gegenstände, was unterschiedliche Geräusche heraufbeschwor.
    Plötzlich
blieb sie stehen und begann zu rufen. »Hilfe! Hilfe! Wo bin ich hier bloß ?« Immer lauter. Immer hysterischer. So lange, bis sie
völlig zusammenbrach. Nach einer Weile besann sie sich. Vielleicht hatte alles
eine einfache Erklärung. Sicherlich hatte man ihr einen Streich gespielt. Einen
ziemlich miesen. Sie erhob sich und tastete weiter herum. Stein, Holz, Metall,
Kunststoff. Dann runde Stangen. Sie stolperte daran entlang. So lange, bis sie
wieder Stein spürte. Das waren Gitter. Daran gab es keinen Zweifel. Neuerlich
flutete ein Schwall voller Panik ihren Körper. Gitter? Das war ein Gefängnis!
Wieder begann sie zu schreien. Zu weinen. Schluchzend stand sie da im Dunkeln.
Die Hände um die Gitterstäbe geklammert. Die Welt war verschwunden. Ihre Welt.
    Die
Finsternis drückte sie gnadenlos zu Boden, während eine Ebene höher ein Mann
auf einen schwarzen Bildschirm starrte.

 
    2

 
    Eine
unbestimmte, schier endlose Zeit schien vergangen zu sein. Eine Zeit voller
Angst und Hoffnungslosigkeit. Immer wieder war sie umhergeirrt, immer wieder
hatte sie gerufen, gefleht. Doch nichts war geschehen. Nur Stille und
Dunkelheit. Sie war verstört, verzagt, ohne jede Antwort. Nur eines war gewiss.
Man
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