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Clara

Clara

Titel: Clara
Autoren: Michael Koller
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Gegensteuern führte zwangsläufig in die
Katastrophe. Clara starrte zum Himmel. Versuchte weiterzuatmen. Doch immer
wieder spie der Ozean über sie hinweg. Nur noch schwach nahm sie das Licht
wahr, das plötzlich von hinten auftauchte. Und den Schuss, der kurz darauf
folgte. Gerade, als die ersten Vorboten der Sonne den nahenden Tag verkündeten.

 
    5

 
    Thomas nahm
Clara unter den Armen und hielt sie so über Wasser. Es war ein qualvolles
Unterfangen, da sie Michaels Leichnam immer wieder nach unten zog. Die nasse
Kleidung tat ein Übriges. Selbst tot war er eine schier unüberwindliche
Bedrohung. Thomas musste eine Entscheidung fällen. Sofort. Genauso schnell, wie
er eine getroffen hatte, als er dort oben an den Klippen erwacht war. Benommen
neben dem Auto liegend.
    Ohne zu
überlegen, war er zum Strand hinuntergestiegen .
Dorthin, wo er einen Lichtstrahl gesehen hatte. Das Display seines Handys hatte
ihm den Weg gewiesen. Hatte ihn zum im Sand liegenden Gewehr geführt. Er ließ
Clara einen Moment lang los und tauchte zu Michael hinab. Versuchte, in seiner
Hose den Handschellenschlüssel zu finden. Er spürte, wie der Körper sank. Er
tauchte wieder auf und stemmte Clara hoch, die erneut Wasser spuckte.
    »Tut mir
leid, Schatz, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Ich schaffe es nicht, euch
beide wieder an den Strand zu bringen .« Clara deutete
ein Nicken an. Langsam breitete sich etwas natürliches Licht über den Wellen
aus. Sie trieben westwärts ab. Thomas tauchte erneut. Bekam seine Hände in eine
Tasche. Doch nichts. Sie war leer. Hatte er den Schlüssel überhaupt bei sich?
Thomas versuchte verzweifelt, die beiden Körper zurück zum rettenden Ufer zu
schaffen. Doch es gelang ihm nicht. Zu gewaltig stellten sich ihm die Elemente
in den Weg. Das Tosen wurde lauter. Er blickte zur Seite und sah einen riesigen
Felsen vor sich. Die Strömung hatte sie bereits erfasst. Claras Stimme
erstickte beinahe. Sie würgte mehr, als sie wirklich sprach.
    »Rette dich.
Es hat keinen Sinn .« Dann spie sie erneut etwas
Salzwasser. Sie ertrank. Thomas holte tief Luft. Tauchte ab. Drehte Michaels
Leiche. Versuchte, ihn hochzuheben. Doch er war zu schwer. Er entglitt ihm.
Einen Moment lang sah er sein Gesicht. Die Kugel hatte ihn im rechten Auge
getroffen. Er wirkte unendlich abstoßend. Sein toter Körper würde auch Claras
Schicksal besiegeln. Thomas war am Ende seiner Kräfte. Er wollte sich wieder zu
Clara wenden, als sein rechter Daumen sich an einer dünnen Kette am Hals des
Toten verhing . Wütend riss er sich los. Er nahm das
vermeintliche Schmuckstück und wollte es weit von sich werfen, als er ihn
erblickte. Den kleinen Handschellenschlüssel, der an einem Knoten hing.

 
    6

 
    Die Tür zur
Zelle wurde automatisch geschlossen. Clara ging zum Waschbecken und wusch ihr
sorgenvolles Gesicht. Ihre Schönheit war wie weggeblasen. Seit dem Tag ihrer
Verurteilung war sie nur noch ein Schatten. Ein Häufchen Elend. Michael hatte
seine Beweise von Australien aus abgeschickt. In vollem Bewusstsein, sie so
oder so zu zerstören. Entweder in der Brandung des kalten Meeres oder im
Gefängnis, wo sie den täglichen Anfeindungen ausgesetzt war. Schon bei ihrer
Rückkehr wurden sie beide verhaftet. Thomas’ PC wurde in ihrem Auto
sichergestellt. Den hatte sie ganz vergessen. So wie manch anderes auch. Der
Abschiedsbrief ihrer Mutter wurde gefunden. Burgers Ohr unterm Lindenbaum.
Seine Leiche. Die Schaufel mit ihren Fingerabdrücken. Auch die australischen
Behörden waren eifrig gewesen. Hatten Michaels Mietwagen bei den »Zwölf
Aposteln« sichergestellt. Ebenso wie das ausgeliehene Jagdgewehr und letztlich
auch seinen Leichnam, der wieder an Land gespült wurde.
    Es passte
alles zusammen. Die vorgetäuschte Entführung durch einen Helfershelfer. Der Tod
ihrer Eltern, der die vorzeitige Erbschaft ermöglichte. Der Mord an Burger, der
Mittel zum Zweck war. Das Verschwinden von Thomas, das vorgetäuscht wurde, um
Michael Gruber, den Mitwisser, aus seinem Versteck zu locken. Ihn in Panik zu
versetzen, um ihn schließlich zu ermorden. Nach einer Jagd, die bis fast ans
Ende der Welt führte. Richter und Geschworene waren sich bald einig gewesen.
Hier lag eindeutig Heimtücke vor. Lebenslänglich. Für beide. Die wahre
Darstellung der Ereignisse wurde als an den Haaren herbeigezogen abgetan.
    Clara
starrte in den Spiegel oberhalb des Waschbeckens. Sarahs Gesicht erschien. Sie
kannte es durch ein Foto aus den
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