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Circus

Circus

Titel: Circus
Autoren: Alistair MacLean
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getan hätte, war beabsichtigt, daß Harper, der sicherlich eine ganze Tasche voll roter Kugelschreiber mit sich herumtrug, sich am Dienstag abend – dem angeblichen Einbruchstermin – um ihn kümmert. Und er wäre ungestraft davongekommen, denn es wäre niemand dagewesen, der gegen ihn hätte aussagen können. Denn ich wäre ja bereits tot gewesen.«
    Sie sah ihn an und schauderte zusammen.
    Er lächelte. »Jetzt ist doch alles ausgestanden. Harper erzählte mir ein Märchen über Van Diemens angeblich so schwaches Herz und bestand darauf, daß ich bei ihm den schwarzen Gas-Kugelschreiber einsetzte. Es war Harpers Absicht – und natürlich auch die seines Chefs –, daß Van Diemen am Leben blieb. Wie ich schon sagte, starb Harper gewissermaßen durch eigene – und Van Diemen durch Harpers Hand. Harper ist ganz allein für Van Diemens und seinen eigenen Tod verantwortlich.«
    »Aber warum – warum hat er es getan?«
    »Wie soll ich diese Frage beantworten? Wie soll irgend jemand diese Frage beantworten? Vielleicht hat man ihm eine Million Dollar geboten? Die Beweggründe eines Doppelagenten liegen jenseits jeglichen Begreifens. Aber das spielt ja jetzt auch keine Rolle. Es tut mir übrigens leid, daß ich an dem Abend damals in New York so auf dich losgegangen bin. Die Ungewißheit hatte so an meinen Nerven gezerrt: Ich hatte jahrelang keine Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, ob meine Familie noch am Leben oder bereits tot war. Du weißt natürlich, warum Dr. Harper uns an jenem Abend in das Restaurant schickte, oder? Damit er meine Kabine mit einer Wanze verunzieren lassen konnte! Wobei mir einfällt, daß ich telegrafieren muß, daß man Carter verhaften soll. Und Morley, Harpers Elektronikspezialisten, der meinen Salon an Bord des Zuges mit einem Abhörgerät bestückte. Und jetzt habe ich eine etwas delikate Frage.«
    »Nämlich?«
    »Dürfte ich mal auf die Toilette gehen?«
    Er durfte. Dort angekommen, zog er die Papiere, die er aus Van Diemens Aktenschrank entwendet hatte, aus der Innentasche seiner Jacke, zerriß sie, ohne sie anzusehen, in winzige Fetzchen und spülte sie in der Toilette hinunter.
    Hauptmann Kodes klopfte an die Tür des Circusbüros und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Wrinfield sah leicht überrascht von seiner Arbeit auf.
    »Ich suche Oberst Sergius, Mr. Wrinfield. Haben Sie ihn irgendwo gesehen?«
    »Ich bin gerade erst vom Zug gekommen. Wenn er in der Vorstellung ist, wird er sicherlich auf dem gewohnten Platz sitzen.«
    Kodes nickte und eilte in die riesige Halle hinaus. Die Spätvorstellung war in vollem Gange, und wie üblich war kein Sitzplatz mehr frei. Kodes zwängte sich bis zu der Reihe durch, in der Sergius normalerweise saß, aber er konnte ihn nirgends entdecken. Ein paar Sekunden stand er unschlüssig da, aber dann folgten seine Augen instinktiv, ja fast unvermeidlich den anderen zehntausend Augenpaaren.
    Kodes stand wie versteinert. Sein Verstand weigerte sich eine ganze Weile, das zu akzeptieren, was er sah: Zwei der ›Blinden Adler‹ führten dort oben ihren haarsträubenden Trapezakt vor.
    Dann erwachte Kodes plötzlich aus seiner Erstarrung und rannte los. Am Ausgang stieß er beinahe mit Kan Dahn zusammen, der ihn in der ihm eigenen, freundlichen Weise grüßte. Es war fraglich, ob Kodes ihn überhaupt wahrnahm. Er stürmte in Wrinfields Büro, und diesmal nahm er sich nicht die Zeit, vorher anzuklopfen.
    »›Die Blinden Adler‹!!« schrie er. »›Die Blinden Adler‹! Wo kommen die denn plötzlich her?«
    Wrinfield schenkte ihm einen milden Blick: »Die Kidnapper haben sie freigelassen. Wußten Sie das nicht?«
    »Nein, verdammt noch mal, das wußte ich ganz und gar nicht!« Kodes stürzte aus dem Büro und rannte zu seinem Wagen.
    Mit aschgrauem Gesicht und wie betäubt stand Kodes im neunten Stock des Gefängnisbaues der ›Lubylan‹. Der Schock, gefesselte und geknebelte Männer am offenen Eingang unten vorzufinden, war schon vernichtend genug gewesen, aber der Anblick von Sergius, Van Diemen und Angelo, die hier oben tot vor seinen Füßen lagen, stellte die größte Anforderung an seine Nervenkraft. Ein sicherer Instinkt lenkte Kodes' Schritte zu dem Bestattungsunternehmen. Er bemerkte kaum, daß im vorderen Büro Licht brannte. Und es brannte auch in dem hinteren Raum. Er steuerte zielsicher auf den Sarg zu, in dem noch vor kurzer Zeit Bruno gelegen hatte, und hob den Deckel an. Dr. Harper, die Hände über der Brust gefaltet, sah
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