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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao
Autoren: Hen Hermanns
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unser Honorar für seinen Münchner Räumungsverkauf finanzieren wollte. Mit seiner Armbanduhr? Und ich fragte mich, was Eckert an diesem Arsch so gut fand. Irgendwie schätzte er die Freaks unter seinen Kunden besonders. Als Lütgenau sich einigermaßen beruhigt hatte, dachten wir uns auf die schnelle ein aggressives Anzeigenkonzept aus und sprachen erste Einzelheiten durch. Ich war ziemlich unkonzentriert. Und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, wir redeten nicht über Lütgenaus verdammten High-Fashion-Laden, sondern über irgend etwas anderes. Aber über was?

3.

    Nach dem Meeting rief mich jemand aus dem Polizeipräsidium an. Man hatte am Tatort herumgekramt, aber weder Patronenhülsen noch sonstige Spuren gefunden. Wie es mir denn so ginge und ob ich inzwischen nicht doch irgendeinen Verdacht hätte, wollte der Beamte wissen. Ich blieb bei meiner Freak- und Zufallstheorie. Was blieb mir sonst auch übrig? Sollte ich sagen, irgendwie habe ich ein komisches Gefühl, irgendwas geht vor, aber ich weiß nicht was, geben Sie mir bitte Polizeischutz?
    Ich schrieb ein paar Textentwürfe für Lütgenaus Anzeigen und fuhr schon um fünf Uhr nach Hause. Ich stieg in Trainingsanzug und Laufschuhe, lief zum Zoo, zum Rheinufer, zur Südbrücke, rüber auf die andere Rheinseite, zur Mülheimer Brücke, zurück ans linksrheinische Ufer und nach Hause. Es war immer noch ziemlich kalt. 18 Kilometer in 70 Minuten, Puls 160. Angst und Ungewißheit machen schnell.
    Ich hätte jetzt sehr gerne einen Freund wie Robert Mitchum oder Lino Ventura gehabt. So einen, den man mitten in der Nacht anrufen und bitten kann, sofort mit einer Waffe vorbeizukommen. Und er würde keine Fragen stellen, sondern in zehn Minuten da sein, mit einer leichten Whiskyfahne und einer Magnum unterm Trenchcoat. Langsam wurde ich ein bißchen paranoid.
    Ich schloß die Wohnungstür zweimal ab, legte die Kette vor, inspizierte alle Zimmer, ging ins Bad und schloß auch die Badezimmertür hinter mir ab, bevor ich unter die Dusche stieg, denn jetzt fielen mir leider auch noch Anthony Perkins in >Psycho< und Jack Nicholson in >Shining< ein. Ich dachte an Sal Goldblum. Vielleicht wäre das so ein Freund, der jetzt helfen könnte. Ich hatte ihn im Central Park kennengelernt. Wir liefen beide in Richtung Reservoir, zum Trinkwasser-See, wo New Yorks Jogger so gern ihre Runden drehen. Sal lief ein Stück vor mir her, und plötzlich fiel ein kleines Päckchen auf den Boden. Ich stoppte und hob ein Bündel Geldscheine auf. In New York, sagen Reiseführer und gesunder Menschenverstand, nimmt man höchstens ein paar Zwanziger mit. Was ich da in der Hand hielt, waren aber etliche Tausend. Ich rannte Sal nach und gab ihm das Geld. Er sah mich erst an, als wollte er mir eine langen, aber dann lachte er, steckte das Geld ein, und wir liefen ein paar Runden zusammen. Er lud mich zum Essen ein, und es stellte sich heraus, daß wir gleichaltrig waren, beide zum ersten Mal am New York Marathon teilnahmen und Verdi und Spaghetti mochten. Das war vor einigen Jahren passiert, und seitdem besuchte ich ihn immer, wenn ich in New York war. Er besorgte Karten für die Metropolitan Opera, wir drehten unsere Runden im Park und hatten eine dieser seltsamen Männerfreundschaften, bei denen man sich ohne großes Herumreden gut versteht. Dazu gehörte auch, daß er mir niemals sagte, was es eigentlich mit diesem Geldbündel auf sich hatte. Auch über seine Profession schwieg er sich aus. Er verdiente Geld. Ich nannte ihn meinen jüdischen Mafioso-Freund. Er widersprach nicht und lachte. Jedenfalls würde er mit einer Situation wie meiner wohl besser klarkommen.
    Ich vergewisserte mich noch mal, daß die Wohnungstür auch wirklich richtig abgeschlossen war, und schob einen Marx-Brothers-Film in den Videorecorder. Um 5 Uhr morgens wachte ich vor der flimmernden Glotze auf. Mit Kreuzschmerzen und der schlechtesten Laune seit langem.
    Ich machte, daß ich auf die Straße kam, und lief 30 Kilometer in 2,5 Stunden. Das gab eine ausreichende Endorphin-Ausschüttung. Trotzdem verbrachte ich den Samstag mit Grübeleien, die zu nichts führten. Erst gegen Abend wurde meine Laune wieder besser. Ich wechselte den Verband an meinem Arm, zog mir meine schwarzen Werbefuzzi-Klamotten an, bestellte ein Taxi und fuhr in die Aachener Straße. Es war Samstag, es war Wochenende, mein Art-Director Sigi gab eine Warming-up-Party in seinem neuen Loft, und ich wollte endlich auf andere Gedanken kommen. Sigis Loft
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