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Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel

Titel: Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
Autoren: Cassandra Clare
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die Hauptfiguren vor Gericht standen, zitternd und betend, dass der Urteilsspruch der Richter im Old Bailey »nicht schuldig« lautete. Und wie oft hatte sie sich in diesem Raum selbst auf der Anklagebank gefühlt, ohne genau zu wissen, welches Verbrechen man ihr vorwarf.
    Sie drehte die Schleife in der Hand und erinnerte sich an das erste Mal, als die Dunklen Schwestern ihr einen Gegenstand gereicht hatten: einen Damenhandschuh mit Perlmuttknöpfen am Handgelenk. Die beiden Frauen hatten sie angeschrien, sich endlich zu verwandein, sie geschlagen und geschüttelt, während Tessa mit wachsender Panik wieder und wieder beteuert hatte, sie wisse nicht, wovon die Schwestern redeten, und sie habe nicht die geringste Ahnung, was sie von ihr wollten.
    Damals war sie nicht in Tränen ausgebrochen, obwohl ihr wirklich danach zumute gewesen war. Aber Tessa hasste es zu weinen, vor allem vor Leuten, denen sie nicht traute. Und von den wenigen Menschen auf der Welt, denen sie vertraute, war einer tot und der andere im Gefängnis. Die Dunklen Schwestern hatten ihr das erzählt. Sie hatten ihr versichert, dass sie Nate in ihrer Gewalt hätten und dass er sterben müsste, wenn Tessa nicht tat, was sie verlangten. Zum Beweis hatten sie ihr seinen Ring gezeigt, den Ring, der einst ihrem Vater gehört hatte und der nun blutverklebt war. Zwar hatten die Schwestern ihr nicht erlaubt, ihn in die Hand zu nehmen oder auch nur zu berühren, aber Tessa hatte den Ring trotzdem erkannt. Er gehörte zweifellos Nate.
    Danach hatte sie alles getan, was die beiden Frauen von ihr verlangten. Sie hatte das bittere Gebräu geschluckt, das sie ihr gaben, die stundenlangen Übungen über sich ergehen lassen und sich gezwungen, so zu denken, wie es den Schwestern gefiel. Diese hatten ihr befohlen, sie solle sich selbst als einen Klumpen Ton betrachten, der auf der Töpferscheibe geformt und gestaltet wird; sie solle sich vorstellen, sie besäße eine strukturlose und wandelbare Gestalt. Dann hatten sie verlangt, Tessa solle sich tief in die ihr überreichten Gegenstände hineinversetzen, sie als Lebewesen betrachten und den Geist herauslocken, der in ihnen schlummerte.
    Es hatte Wochen gedauert, und als Tessa sich schließlich zum ersten Mal verwandelt hatte, war dieses Erlebnis so unerträglich schmerzhaft gewesen, dass sie sich übergeben musste und dann das Bewusstsein verloren hatte. Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie auf einem der stockfleckigen Sofas im Büro der Schwestern gelegen, ein feuchtes Tuch auf der Stirn. Mrs Black hatte sich über sie gebeugt, mit essigsaurem Atem und leuchtenden Augen. »Das hast du gut gemacht, Theresa«, hatte sie gesagt. »Sehr gut.«
    Als Tessa an jenem Abend in ihr Zimmer zurückgekehrt war, hatten dort Geschenke für sie gelegen - zwei neue Bücher auf ihrem Nachttischchen. Offenbar hatten die Dunklen Schwestern erkannt, dass Tessas größte Leidenschaft das Lesen war, und ihr eine Ausgabe von Dickens' Große Erwartungen und Louisa May Alcotts Roman Betty und ihre Schwestern besorgt. Tessa hatte die beiden Bücher an sich gedrückt und sich in der Einsamkeit ihres kleinen Zimmers gestattet, in Tränen auszubrechen.
    Danach war es ihr leichter gefallen ... das Verwandeln. Zwar verstand Tessa noch immer nicht, was in ihrem Inneren dabei vor sich ging, aber sie hatte sich die Schritte eingeprägt, die die Dunklen Schwestern sie gelehrt hatten - so wie sich ein Blinder die Anzahl der Schritte merkt, die er vom Bett zur Schlafzimmertür benötigt. Tessa wusste nicht, was sich um sie herum an diesem seltsamen dunklen Ort befand, den sie auf Geheiß der Schwestern aufsuchen musste, aber sie kannte den Weg, der durch ihn hindurchführte.
    Diese Erinnerungen nahm sie nun zu Hilfe und schloss ihre Finger fest um das verschlissene rosa Haarband in ihrer Hand. Dann öffnete sie ihren Geist und ließ die Dunkelheit über sich hereinbrechen. Sie ließ sich durch die Verbindung führen, die sie mit der Schleife und dem darin innewohnenden Geist - das geisterhafte Echo der früheren Besitzerin des Gegenstands - untrennbar verknüpfte, ließ sich wie von einem leuchtend goldenen Faden durch die Schatten geleiten. Der Raum, in dem sie sich befand, die stickige Hitze, die schnaufende Atmung der Dunklen Schwestern, all dies versank um sie herum, während sie dem Faden folgte und das Licht immer heller leuchtete, bis es sie schließlich umhüllte wie eine wärmende Decke.
    Ihre Haut begann, zu prickeln und dann zu
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