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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Autoren: Anne Rice
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über das perfekt geformte Gesicht in dem Sarg, und als die Ader an Lestats Hand sich schließen wollte, riss er sie abermals auf und ließ das Blut fließen.
    »Hilf mir, Merrick! Hilf mir, David!«, rief er. »Ich werde für das, was ich tue, geradestehen, aber sorgt dafür, dass es jetzt nicht fehlschlägt. Ich brauche euch jetzt!«
    Ich war sofort an seiner Seite, schob die lästige baumwollene Manschette zurück und riss mir mit meinen Eckzähnen das Handgelenk auf. Merrick kniete sich ans Fußende des Sarges, und auch von ihrem zarten Zöglingsarm floss nun das Blut. Stinkender Rauch stieg aus den Überresten empor. Das Blut schien in jede einzelne Pore der Gestalt einzusickern und durchtränkte die verbrannte Kleidung. Und während Lestat den Stoff losriss, setzte er mit einem weiteren Schwall Blut sein Wahnsinnswerk fort. Der Rauch lag nun in einer dicken Schicht über den blutigen Resten vor uns, so dass man nichts mehr sehen konnte. Doch plötzlich drang ein schwaches Murmeln an mein Ohr, dann ein schreckliches, krampfhaftes Stöhnen. Unaufhaltsam ließ ich mein Blut fließen, obwohl meine übernatürliche Haut immer wieder zur Heilung ansetzte. Doch stets erwiesen sich meine Zähne dagegen als hilfreich.
    Da stieß Merrick einen Schrei aus. Durch den Dunst vor mir sah ich, wie Louis’ Körper sich in dem Sarg aufbäumte. Sein Gesicht bestand aus lauter feinen Linien und Fältchen. Lestat griff in den Sarg, umfasste Louis’ Kopf und presste ihn gegen seine Kehle. Dabei befahl er: »Trink jetzt, Louis!«
    »David, mach weiter«, drängte Merrick. »Er braucht das Blut, jede Faser seines Körpers saugt es auf.«
    Ich gehorchte, merkte nun jedoch, dass ich immer schwächer wurde und mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Und auch Merrick taumelte, war jedoch fest entschlossen, weiterzumachen.
    Vor mir sah ich einen nackten Fuß, dann den Umriss eines Männerbeins, und dann, deutlich in dem Halbdunkel, die harten Muskeln einer Männerbrust.
    »Fester, ja, hol’s dir!«, hörte ich Lestats drängenden Befehl. Er sprach nun Französisch. »Fester, noch mehr, hol’s dir, trink alles, was ich dir geben kann!«
    Ich konnte kaum noch sehen. Der ganze Hof schien von einem stinkenden Dunst erfüllt zu sein, und die beiden Umrisse von Louis und Lestat glommen für einen Moment vor mir auf, ehe ich spürte, wie ich auf die kühlen, lindernden Steine niedersank. Merricks weicher Körper schmiegte sich an mich, und ich roch den süßen, lieblichen Duft ihrer Haare. Mein Kopf sank kraftlos zurück, und vergeblich versuchte ich, die Hände zu heben. Ich schloss die Augen. Ich sah nichts. Und als ich sie schließlich wieder öffnete, stand Louis dort, nackt und wiederhergestellt. Er schaute auf mich herab, sein Körper war von einem dünnen blutigen Film umhüllt, als wäre er ein Neugeborenes. Ich registrierte seine grünen Augen und die weißen Zähne. Und ich hörte Lestat, der mit wunder Stimme sagte: »Mehr, Louis, mehr, trink!«
    »Aber David und Merrick -«, begann Louis. Und Lestat antwortete: »David und Merrick geht’s bald wieder gut.«

24
    Oben in der Wohnung badeten und kleideten wir Louis an, wir alle gemeinsam.
    Lestats Blut, das fast schon allmächtige Kraft besaß, hatte ihn geheilt und ließ seine Haut weiß aufglänzen, und schon während wir ihm mit den schwierigen Teilen seiner Garderobe behilflich waren, stellte sich heraus, dass er nicht mehr der Louis war, den wir kraft unserer Liebe so oft zu bemitleiden gewagt hatten. Als er schließlich bequem in ein lockeres schwarzes Rollkragenshirt und Baumwollhosen gekleidet war, mit zugeschnürten Schuhen und die dichten Haare gekämmt, ließ er sich mit uns im hinteren Salon nieder - dem Ort, der während meines kurzen übernatürlichen Daseins schon so manche freundschaftliche Diskussion gesehen hatte.
    Louis musste seine Augen fortan mit einer Sonnenbrille verdecken, denn auch ihnen wohnte nun die schillernde Leuchtkraft inne, die für Lestat stets eine Last gewesen war. Aber was ging in seinem Innern vor? Was hatte er uns zu sagen, da wir ihn alle anschauten, alle darauf warteten, dass er uns seine Gedanken mitteilte? Er ließ sich tief in den mit dunklem Samt bezogenen Sessel sinken und blickte umher, als wäre er ein monströses Neugeborenes, Mythos oder Sagen entsprungen, ausgewachsen und fertig ins Leben geplumpst. Und nur zögernd richteten sich seine scharfen grünen Augen auf uns.
    Inzwischen hatte Lestat seine staubbedeckten Hüllen
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