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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Autoren: Anne Rice
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Julien von dem Familienzweig aus der Vorstadt. Und Sie beide saßen an ihrem Bett. Onkel Julien erzählte ihr einige Witze und Geschichten und sagte, er freue sich, in ihrem Traum vorzukommen. Das hat sie gesagt! Onkel Julien sagte, ich solle zu Ihnen gehen, Mr. Lightner, und Mr. Talbot würde auch kommen. Onkel Julien sprach Französisch, und Sie - Sie saßen in dem Sessel mit dem Bambusrücken und lächelten und nickten der Großen Nananne zu, und Sie brachten ihr eine Tasse Kaffee mit Zucker und Milch, genau wie sie es gern mochte, mit einer halben Tasse Zucker und einem ihrer Lieblingslöffel aus Silber. Die große Nananne hat Unmengen Silberlöffel, nicht nur im Traum.«
    Merrick schwieg für einen Moment. Dann fuhr sie fort: »Sie setzten sich schließlich neben sie auf ihr Bett, auf ihre beste Steppdecke, und nahmen ihre Hand. Sie hatte ihre schönsten Ringe angelegt, wissen Sie, die, die sie eigentlich nicht mehr trägt, und Sie sagten in diesem Traum zu ihr: ›Schick mir die kleine Merrick‹, und Sie sagten der Großen Nananne, dass Sie mich in Ihre Obhut nehmen würden, und Sie sagten ihr, dass sie sterben würde.«
    Aaron hatte diese seltsame Erzählung offensichtlich noch nicht gehört, und er schien sehr angetan, aber auch verwundert. Liebevoll antwortete er: »Das muss Onkel Julien in dem Traum gesagt haben. Wie hätte ich ein solches Geheimnis wissen können?«
    »Nein, nein, Sie haben es ihr gesagt«, antwortete das wundersame Kind. »Sie nannten ihr den Tag und die Stunde, und sie ist noch nicht gekommen.« Nachdenklich betrachtete sie erneut die Bilder. »Machen Sie sich keine Gedanken deswegen. Ich weiß, wenn es so weit ist.« Plötzlich sah ihr Gesicht ganz traurig aus. »Sie kann nicht für immer bei mir bleiben. Les mystères warten nicht.«
    Les mystères. Meinte sie die Vorfahren, die Voodoo-Götter oder einfach die Geheimnisse des Schicksals? Ich war nicht in der Lage, auch nur oberflächlich in ihre Gedanken einzudringen. »Der heilige Petrus wird schon warten«, murmelte sie, während ihre sichtliche Trauer hinter einem Vorhang der Gelassenheit verschwand.
    Unvermittelt heftete sie ihren Blick auf mich und flüsterte etwas auf Französisch. Ein Standbild vom heiligen Petrus mit dem Himmelsschlüssel konnte gut und gern als Ersatz für Papa Legba, den Gott der Kreuzwege im Voodoo-Kult, dienen. Mir war aufgefallen, dass Aaron sich nicht überwinden konnte, Merrick wegen seiner Rolle in dem Traum und wegen Nanannes bevorstehendem Tod weiter zu befragen. Er nickte jedoch und hob abermals mit beiden Händen das Haar in Merricks Nacken an, wo noch ein paar vereinzelt e Strähnen auf der weichen, hellen Haut klebten.
    Als sie ihre Erzählung wieder aufnahm, betrachtete er sie mit ehrlichem Staunen.
    »Das Erste, was ich nach diesem Traum erfuhr, war, dass ein alter Farbiger mit seinem alten Lastwagen bereitstand, um mich mitzunehmen. Er sagte: ›Du brauchst kein Gepäck, du kannst so, wie du bist, mitkommen‹, und ich kletterte zu ihm in den Wagen, und er fuhr mich hierher. Die ganze Zeit hat er nicht mit mir gesprochen, hat sich nur dauernd irgendeinen Blues-Sender angehört und Zigaretten geraucht. Die Große Nananne wusste, dass es nach Oak Haven ging, denn Mr. Lightner hatte es ihr in dem Traum gesagt … Die Große Nananne kannte Oak Haven schon damals, als es noch etwas anderes darstellte und einen anderen Namen trug. Onkel Julien erzählte ihr noch eine Menge anderer Dinge, aber sie verriet mir nicht, was. Sie sagte: ›Geh zu ihnen, geh zur Talamasca, sie werden sich um dich kümmern, das wird für dich der richtige Weg sein, bei all dem, wozu du imstande bist.‹« Ihre Worte ließen mich frösteln: all das, wozu du imstande bist. Ich sehe immer noch Aarons traurige Miene vor mir. Er schüttelte nur ganz leicht den Kopf. Beunruhige sie jetzt nicht, dachte ich ein wenig verärgert, doch das Mädchen wirkte gar nicht verstört.
    Der berüchtigte Mayfair-Onkel Julien war mir schon ein Begriff. Ich hatte viele Kapitel über die Karriere dieses mächtigen Hexenmeisters und Sehers gelesen, des einzigen Mannes in dieser seltsamen Familie, der sich gegen die schon Jahrhunderte andauernde Bedrohung durch den Geist eines Mannes und seine Hexen gestellt hatte. Onkel Julien - Seher, Verrückter, Frauenheld, eine Legende und Vater von Hexen -, und das Kind sagte, es stamme von ihm ab. Da ging es um mächtige Zauberkraft, aber für Onkel Julien war Aaron zuständig, nicht ich. Merrick hatte mich
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