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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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beide genug Bewegung hatten.«
    Der Wirt hinter seiner Theke hörte zwar nicht auf, mit seinen Krügen zu klappern, sah aber ganz unverhohlen neugierig in ihre Richtung, und Andrej meinte geradezu sehen zu können, wie seine Ohren größer wurden.
    »Nur kein Neid«, antwortete er. »Hast du etwas herausgefunden?«
    »Ja«, grunzte Abu Dun. »Dass man Turbanträger in dieser Stadt nicht besonders mag.« Er schaufelte auch noch den Rest von Andrejs Portion in sich hinein, rülpste in einer Lautstärke, als wäre irgendwo nicht sehr weit entfernt ein Haus zusammengebrochen, und warf dem Wirt ein schiefes Grinsen zu.
    »Verzeiht«, sagte er. »Eine schlechte Angewohnheit aus dem Land der Barbaren und Turbanträger.«
    »Bitte hör auf«, sagte Andrej, jetzt wieder ins Arabische wechselnd und sehr ernst. »Wir brauchen den Mann vielleicht noch.«
    »Ganz wie Ihr befehlt, Sahib«, antwortete Abu Dun ungerührt und weiter auf Italienisch. »Und um Eure Frage abschließend zu beantworten, Efendi: Nein, ich habe nichts herausgefunden. Außer dass die guten Leute in dieser prachtvollen Stadt anscheinend sofort mit Taubheit und Erinnerungsverlust geschlagen sind, sobald man ihnen auch nur eine Frage stellt.«
    »Vielleicht stellt ihr ja die falschen Fragen«, mischte sich der Wirt ein, »oder richtet sie an die falschen Leute.« Er kam wieder hinter seiner Theke hervor und schien fest entschlossen, den kleinen Zwischenfall zu vergessen. »Ihr seid immer noch auf der Suche nach euren Landsmänninnen?«
    »Man könnte meinen, du hättest uns belauscht, wenn der Gedanke nicht so absurd wäre«, sagte Abu Dun. Er hatte ein Stückchen Brot entdeckt, das er nun mit spitzen Fingern aufnahm, um damit einen Rest Soße von seinem Teller aufzutupfen. Jedenfalls nahm Andrej an, dass es Soße war.
    »Ihr seid jetzt seit beinahe einer Woche hier«, sagte der Wirt. Er war wieder an ihren Tisch getreten, machte aber keine Anstalten, sich erneut zu setzen. »Und ihr habt in dieser Zeit jeden nach diesen drei schwarzen Frauen gefragt, der nicht schnell genug weglaufen konnte. Inzwischen beginnt man über euch zu reden.«
    »Das sind wir gewohnt«, erwiderte Abu Dun. Der letzte Brotkrumen war vertilgt, und sein Blick wanderte suchend über die zerschrammte Tischplatte, fand aber nichts mehr.
    »Vielleicht kann ich euch ja behilflich sein«, sagte der Gastwirt. »Ihr würdet bei meinem Schwager nicht nur gutes Geld verdienen, wisst ihr? Hafenarbeiter sind ein schwatzhaftes Völkchen, und Neuigkeiten erreichen die Stadt meistens auf dem Seeweg. Wenn eure Freunde mit einem Schiff angekommen sind, dann hat sie dort gewiss jemand gesehen.«
    »Lass mich raten«, sagte Abu Dun. »Du bekommst eine Provision für jeden Mann, den du deinem Schwager vermittelst, die demjenigen zweifellos vom Lohn abgezogen wird … ohne dass er es auch nur ahnt.«
    »Man muss sehen, wo man bleibt«, sagte der Wirt ein bisschen trotzig.
    »Nehmt es meinem Freund nicht übel«, sagte Andrej rasch. »Wir … haben schon einmal in einem Hafen gearbeitet und keine guten Erfahrungen dabei gemacht.«
    »Was ist passiert?«, wollte der Wirt wissen.
    »Die Stadt ist abgebrannt«, antwortete Abu Dun.
    »Und die Flotte gesunken«, fügte Andrej hinzu.
    Das entsprach sogar der Wahrheit, auch wenn die Geschichte komplizierter gewesen war, aber das Lächeln des Mannes erlosch, und er drehte sich zum zweiten Mal mit einem Ruck auf dem Absatz herum und ging, um diesmal hinter einer niedrigen Tür hinter der Theke zu verschwinden.
    Abu Dun sah ihm kopfschüttelnd nach. »Da ist man mal ehrlich, und so wird es einem gedankt.«
    »Undank ist der Welt Lohn«, bestätigte Andrej und wurde dann wieder ernst. »Vielleicht sollten wir aufgeben«, sagte er. »Wir sind jetzt seit einer Woche hier und haben noch nicht einmal eine Spur von Meruhe oder Marius gefunden. Wahrscheinlich sind sie nicht hier.«
    »Es war dein Vorschlag hierherzukommen.«
    »Und es war eine dumme Idee«, erwiderte Andrej. »Ich hätte auf dich hören sollen. Sie sind nicht hier und waren es wohl auch nie.«
    Abu Dun sah ihn so vorwurfsvoll an, dass eine Erwiderung überflüssig wurde. Andrej suchte vergeblich nach einer scherzhaften Bemerkung, um die Situation zu entspannen. Abu Dun hatte ja vollkommen recht – vor allem mit dem, was er nicht sagte. Der Nubier hatte von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, wie wenig begeistert er von der Idee war, Meruhe und ihre beiden Dienerinnen allein loszuschicken, um Marius in die
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