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Chronik der Nähe

Chronik der Nähe

Titel: Chronik der Nähe
Autoren: Annette Pehnt
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die Karte durch den Schlitz und stöhnen, wenn das rote
Licht aufblitzt: Die wollen uns hier gar nicht haben, aber das ist uns egal,
wir bleiben. Jetzt erst recht. Noch ein Versuch, da glüht ein grünes Licht uns
ins Zimmer hinein, und was für eines, ein kleiner Palast, schwere Vorhänge,
Blumengestecke, weiche Bademäntel auf dem Bett.
    â€“ Hast du etwa eine Suite gebucht, Schatz, das ist doch zu teuer.
    â€“ Nicht zu teuer, triumphiere ich, und sonst muss es ja keiner
wissen.
    â€“ Gut, dass die Oma es nicht weiß, entfährt es dir, und du legst
gleich eine Hand über den Mund, aber rasch stimme ich ein, ja, sie weiß es
nicht, sie wird es nie erfahren. Wieder fangen wir an zu kichern, weil wir über
die Toten lästern, ein böser verbotener Spaß, dazu holen wir uns Sekt aus der
Minibar, einfach ein Fläschchen geköpft, weil wir beiden hier sind und die Oma
deine Mutter es niemals erfahren wird.
    Gleich an diesem ersten Abend baue ich das Massageöl und die
Wurzelbürste auf dem Nachttisch auf, während du deine Hosen und die Wäsche aus
dem Koffer nimmst, neu faltest und in den Schrank stapelst. Das weiße
lavendelgetränkte Stofftüchlein, das immer für einen feinen, altmodischen Duft
sorgt, hast du auch dabei und schiebst es zwischen die Blusen.
    â€“ Viel Zeit haben wir nicht, Mama, soll ich dich, wie wäre das, vor
dem Schlafengehen einmal durchkneten.
    â€“ Lieber eine rauchen, wo kann ich eine rauchen, meinst du, ich muss
ganz nach unten, nach draußen.
    Ich schraube das Massageöl langsam auf, rieche daran,
zurückgewiesener Ingwer-Limetten-Duft, nicht Lavendel kringelt sich in meine
Nase, ich schließe die Augen, atme tief ein. Als ich dich wieder anschaue,
wühlst du in der Handtasche nach Feuer, hast nichts gemerkt und nichts gemeint,
nur eine rauchen, so einfach ist das.
    â€“ Nein, du musst sicher nicht nach draußen in die Fischluft, sage
ich, komm, wir gehen in die Smokers Lounge, ich komme mit.
    Unter Kristallleuchtern erzählst du, wie das war mit dem Rauchen,
ein Onkel, dieser alte, von dem ich nie gehört habe, hat dich gezwungen, du
konntest gar nicht anders, seitdem bist du nicht mehr davon weggekommen.
    â€“ Aber das wusste ich ja gar nicht.
    â€“ Es gibt da so einiges, was du nicht weißt.
    Du scheinst mir anders, vielversprechender sind deine Sätze, gut,
knapp genug, aber schon ist der neue alte Onkel aufgetaucht, und wir sind noch
keine Stunde hier. Du schaust dich vergnügt und leicht spöttisch um in der
Halle, die Sofas haben Troddeln, die Hussen der Sessel sind so dunkelblau wie
der Teppich, gemustert mit winzigen goldenen Kronen, und ich sehe alles, ich
sammele jeden Moment, so schnell entgeht mir nichts heute Abend. Die Zigarette
saugst du leer wie immer und gleich die nächste, aber diesmal treibt es mich
nicht zur Weißglut, wenn du rauchst und rauchst, aber dafür redest, kaufe ich
dir Zigaretten, so viele du willst. Heiße Freude treibt mir ein Rudel Fragen
auf die Zunge, das Versprechen ist groß: Wir können Verbündete werden, wenn du
mir alles erzählst, was ich nicht weiß. Darf ich die Fragen jetzt fragen,
brauchst du genau diese Kristallleuchter, diese Zigaretten und diesen
unbekannten Onkel, damit du mich endlich einweihst. Ich kann uns auch noch
etwas bestellen, ein Weinchen, Cognac, einen Whiskey, und wenn ich jetzt noch
länger überlege, was ich zuerst frage, könntest du ermüden, könntest auf die
Uhr schauen, dir noch einmal durch die Haare fahren, die nicht grau werden,
dein brauner Helm, der dich vor dem Altwerden schützt, aber müde könntest du
sein und sagen, komm, Schatz, das war ein langer Tag: schnell .
Eine Frage muss her, welche nehme ich, welche ist die wichtigste, welche wird
die Türen öffnen, alle auf einmal.
    â€“ Komm, Schatz, sagst du, so allmählich wird es Zeit.
    Ich greife deinen Arm, fast erschrickst du, so fest, und rufe,
warte, Mama, irgendeine Frage wird mir ja wohl einfallen: Wann genau hast du
eigentlich Papa geheiratet.
    â€“ Das weißt du doch, sagst du, stehst auf und streichst deinen
Pullover glatt, und es stimmt, natürlich weiß ich es, und nun gehen wir ins
Bett.
    Annie hantiert mit ihren Sprachen, mit Briefen in alle
Welt, mit Korrespondenz, das hat sie gelernt, das kann sie gut. Seit der Chef
ein Auge für sie hat, vibrieren die Tage in der Firma vor Möglichkeiten. Er
dreht sich
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