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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade
Autoren: Lilli Beck
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bereits in Betrieb ist. Keuchend und mit hochrotem Kopf im fünften Stock anzukommen, wäre eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine elegante Erpressung.
    «Ob er uns in seinen abgeschnittenen Hosen empfängt?», flüstere ich Ulla kichernd zu, als wir im obersten Stockwerk aus dem Lift steigen.
    Doch Ulla steht bereits vor Konrads Wohnungstür. Wegen der Überwachungskamera schiebt sie mich zur Seite, bevor sie auf den Klingelknopf drückt.
    Nach wenigen Sekunden öffnet sich die Tür.
    «Ulla?», höre ich Konrad erfreut flöten.
    «Überraschung!», quietscht sie aufgedreht und zieht mich am Arm zu sich.
    Aus Konrads Gesicht weicht die Farbe. Anscheinend ahnt er, dass dieser Überraschungsbesuch nichts Gutes bedeutet. Vielleicht ist es aber auch nur Verwunderung über unser aufgemotztes Aussehen.
    Ulla versetzt mir einen unauffälligen Schubs.
    «Äh, ja …», stottere ich. «Also, ich bin gekommen, um dir ein Angebot zu machen.»
    Ohne weitere Erklärung drängelt sich Ulla an ihm vorbei. Ich stolziere hinterher und registriere das laute Klackern unserer Stilettos auf dem noch nackten Betonboden. Es geht durch einen breiten Flur, vorbei an fünf Metern leerer Regale, bis wir schließlich in einem leeren Loft von enormem Ausmaß stehen. Der Blick aus dem riesigen Panoramafenster, dessen breite Flügeltüren zu einer weitläufigen Dachterrasse führen, ist phantastisch: Angestrahlt von hellen Scheinwerfern erheben sich im Halbdunkel sämtliche Türme der Stadt.
    Als gemütlich würde ich diesen sterilen Raum allerdings nicht bezeichnen. Denn abgesehen von einer Matratze auf einem Lattenrost mit vier großen Rollen in der anderen Ecke gibt es keine weiteren Einrichtungsstücke. Und nur an der Kleiderstange in einer Ecke kann man erkennen, dass diese Räumlichkeiten tatsächlich bewohnt sind. Teilweise hängen sogar noch die Preisschilder an den schwarzen Anzügen und Hemden.
    Ulla und ich tauschen verstohlene Blicke aus. Einen Moment lang bin ich versucht, Konrad jetzt gleich die grauen Sofas und überhaupt das ganze ungemütliche Zeug aus unserem Haus zu überlassen. Dann wäre ich es los, und hoffentlich auch alle Erinnerungen an ihn. Aber eins nach dem anderen.
    Mein Noch-Ehemann verschanzt sich hinter dem grauen Küchenblock, der weit in den Raum hineinragt. Der futuristischen Form nach zu schließen, stammt das Stück vom selben italienischen Designer wie der Küchenblock im Bungalow.
    Ich weiß, dass diese Firma sechs Monate Lieferzeit hat. Das Liebesnest war also schon seit längerem geplant.
    Verblüfft stelle ich fest, dass Konrad ganz normal aussieht. In seinem glatt rasierten Gesicht ist nicht eine Sorgenfalte zu erkennen. Er zeigt nicht die geringste Spur einer schlaflosen Nacht. Auch seine Sprache hat er mittlerweile wiedergefunden.
    «Tja, Platz kann ich euch leider nicht anbieten», erklärt er und grinst schief. «Aber ihr seid auch sicher nicht gekommen, um –»
    «Schon gut», winkt Ulla ab. «Das wird kein Kaffeekränzchen.»
    Ich nicke, nehme auf ein Zeichen von Ulla ein Kuvert aus meiner Handtasche. Irritiert beobachtet Konrad, wie ich den Umschlag öffne, der den Kochbuchvertrag sowie das Marketingkonzept enthält und ihm beides über die Granitplatte zuschiebe.
    «Lies das!», fordere ich ihn auf.
    Erstaunt über meinen kühlen Befehlston, folgt er meiner Anweisung und greift mit spitzen Fingern nach den Papieren.
    Mein souveränes Auftreten erstaunt mich selbst. Ullas Anwesenheit ist enorm hilfreich, andererseits habe ich das Gefühl, als würde ich hier vor einem Fremden stehen. Nach fünfundzwanzig Jahren stelle ich beinahe erleichtert fest, dass Konrad und mich nichts mehr verbindet.
    «Was soll das sein?», knurrt Konrad und zieht die Stirn kraus. Seinem aggressiven Ton nach versucht er die altbewährte Einschüchterungsmethode.
    «Du kennst ja meine Leidenschaft fürs Kochen und weißt, dass ich meine Rezepte seit Jahren aufschreibe», erkläre ich milde lächelnd, kann mir aber nicht verkneifen zu betonen, dass er ja oft genug davon profitiert habe. «Nun hat mir ein Verleger einen Vertrag angeboten: Gegenstand, wie es so schön heißt, ist ein Kochbuch mit erotischen Rezepten, geschrieben von einem ehemaligen Callgirl. Und dieses Callgirl …» Ich straffe meine Schultern. «Das bin ich!»
    Bei dem Wort Callgirl weicht der überhebliche Ausdruck aus Konrads Gesicht. Ein solch unanständiges Wort aus meinem Mund irritiert ihn offensichtlich. Doch gleich darauf gewinnt er
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