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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
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»Chaos-Erde« (Muddle Earth), ein Versuch in Science Fiction-Humor – einer von etlichen solchen Versuchen, die das Genre kennt. Sicherlich geht man nicht irre, bezeichnet man diese beiden Bücher einmal in vorsichtiger Zurückhaltung als Übergangswerke.
    Indessen arbeitete Brunner nämlich (lt. Heyne-SF-Herausgeber Wolfgang Jeschke) an einem umfangreicheren Werk, das qualitativ an seine früheren Top-Romane anknüpfen und ihn in die Spitzenriege der internationalen SF-Autorenschaft zurückkatapultieren sollte, einem Roman mit dem vorgesehenen Titel Two Wrongs. Die Handlung sollte im frühen 21. Jahrhundert spielen. Mit dem für ihn charakteristischen Scharfblick in bezug auf die Trends der aktuellen globalen Ereignisse hatte er sich die Aufgabe gestellt, in literarischer Form zu geißeln, was er als die zwei Hauptübel der Gegenwart betrachtete: neuen Rassismus und Nationalismus. Schwierige Recherchen – u.a. in Osteuropa – zögerten die Tätigkeit an dem Text hinaus; wie weit das Werk bis zu seinem Tod gedieh, ist z.Zt. unbekannt. Ob die Vollendung des Buchs in Brunners Leben und Karriere eine wieder positive Wende herbeigeführt hätte, darf man – wenngleich er selbst offenbar frischen Optimismus verspürte (siehe die Widmung in diesem Band) – als dahingestellt ansehen. Daß ihm die Chance versagt blieb, mag man als bittere Härte des Schicksals bewerten.
    Es ist ein zu bedauerndes Phänomen, daß gerade Zeiten ihrer Krise Schriftsteller dazu verleiten, Übergangswerke zu schreiben, die hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleiben und hinter die früheren Leistungen zurückfallen; und allzu rasch ist dann die Idee da, es mit Humoristischem zu versuchen, ein Einfall, der dem Autor nie gekommen wäre unter anderen, besseren Umständen. Unter situativem Druck der Versuchung zu widerstehen, auf eine täuschend aussichtsreiche Masche zurückzugreifen, nur weil sie Abhilfe zu versprechen scheint, erfordert dann vom Autor, wenn er keine andere Erwerbsmöglichkeit als die Schriftstellerei hat, eine nahezu übermenschliche Selbstdisziplin. Zu behaupten, John Brunner hätte sich während des vergangenen Halbjahrzehnts in keiner Krise befunden, wäre Schönfärberei. Doch um die Frage zu beantworten, ob John Brunner diese rigorose Disziplin aufgebracht oder sie gescheut hat, ist es vielleicht noch zu früh; darum soll die Beantwortung einer späteren Würdigung seines Gesamtwerks überlassen sein.
    Wenn es in der Science Fiction Anlaß zur Erheiterung gibt, ist der Humor in der Regel entweder höchst unfreiwillig, oder er geht, ist es echter Humor, aus dem bewußt angewandten Mittel der Ironie, Satire oder Parodie hervor. Mein Postulat lautet, soweit es dagegen vorsätzlich als Ganzes humorvoll gemeinte Werke anbelangt, die fast immer Zeugnisse des Brachialhumors werden, daß die Geschichte des Humors in der Science Fiction im wesentlichen nichts anderes ist als ein Museum der Peinlichkeiten (und davon nehme ich, gewiß zur allgemeinen Enttäuschung, den vielbejubelten Douglas Adams überhaupt nicht aus). In diesem traurigsten Kapitel des Genres wird, was zum genuinen Goldenen Humor erblühen soll, leicht zum Blech bloßen Blödeins. Man könnte ohne weiteres meinen, da diente die von Otto Julius Bierbaum (1865-1910) verbreitete Maxime Humor ist, wenn man trotzdem lacht vollauf ernsthaft – »in des Worts verwegenster Bedeutung« (siehe Don Carlos nach Friedrich von Schiller, 1759-1805) – als Arbeitsgrundlage. Aber Humor ist, wie Ludwig Börne (1786-1837), einer der ersten bedeutenden deutschen Journalisten, in seiner Gedenkrede über den Tragikomiker Jean Paul (1763-1825) sagte, keine Gabe des Geistes, sondern des Herzens, d.h., formuliert in heutigem sprachlichen Usus, er ist nicht etwa im Rahmen eines Exposes planbar, vielmehr entspringt er beim prozeßhaften Vorgang des Schreibens der spontanen Intuition. Mit anderen Worten, die Qualität des letztendlichen Resultats ist entschieden weniger absehbar als bei einem Text mit anderer Zielsetzung. In Schriftform gebrachter mißratener Humor jedoch ist der Buchstabe, der tötet: er wendet den Lesenden vom Schreibenden ab. Der Jahrmarkt des Lebens toleriert keinen schlechten Clown.
     
    Auch der Roman Muddle Earth zeichnet sich durch Vorzüge aus, die an Brunners herausragendste Bücher erinnern: Kritisierung des umweit- und selbstzerstörerischen Lebensstils der Industrienationen, denn die »Chaos-Erde« ist ein sanierungsbedürftiger, aber eindeutig nicht mehr
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