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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds
Autoren: P Grote
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Verlassen des Restaurants zugeflüstert.
    In Bezug auf den Symbolgehalt eines Champagners stimmte er Langer zu. Nach dem Absturz der Londoner City durch die Finanzkrise war dort der Champagnerabsatz schlagartig eingebrochen. Die City Boys, die Banker, die Shooting Stars unter den Investmentberatern und Analysten waren zum Teil verglüht, andere von einem Tag zum anderen zum Ale zurückgekehrt, und viele hatten nicht einmal mehr für das Obergärige genügend Geld gehabt. Da war für einige ein starker Abgang von der Hotelterrasse die coolere Lösung gewesen.
    Während Langer davon erzählte, dass ihn ein bekannter und äußerst erfolgreicher Investmentbanker angesprochen hatte, der in mehreren Ländern Europas einen Fonds auf der Basis von Champagner aufgelegt hatte, für den France-Import die Abwicklung übernehmen sollte, lief bei Philipp das Kontrollprogramm zu dem Champagner in seinem Glas ab und überlagerte Langers Vortrag. Wenn er sich auf ein Getränk konzentrierte, trat alles andere für ihn in den Hintergrund. Er hatte gelernt, alle Nebengeräusche wegzudrücken, sich auszuklinken, einen Schutzraum um sich aufzubauen, alle Sinne waren nach innen gerichtet.
    Zuerst entstand zu dem Getränk wie immer ein Gefühl,eine Empfindung, sowohl hinsichtlich der Farbe wie auch in Bezug auf den Duft und den Geschmack. Dann wurden ihm die Einzelheiten bewusst, er dachte darüber nach und konnte letztlich seinen Eindruck in Worte fassen; wenn er nichts aufschrieb, blieb zumindest eine Erinnerung an den Wein zurück wie die an ein Bild, wie an ein Gemälde oder ein großes Werk, je nach Qualität des Weins. Jetzt aber musste er sich entscheiden. Es war wichtiger, Langers Ausführungen zu folgen, denn er verstand nicht, was sein Chef in diesem Zusammenhang von ihm wollte. »Was soll das bedeuten, die Abwicklung zu übernehmen?«
    »Stellen Sie sich vor, Sie geben mir Geld, und ich kaufe davon Champagner.«
    »Das würde ich nie im Leben tun. Ich würde ihn kaufen.«
    Langer konnte sich das Grinsen schlecht verbeißen. »Das habe ich auch nicht angenommen, aber nehmen wir einmal an   ...«
    »Na gut, dann verstehe ich es als Hypothese.«
    »Es ist keine Annahme, diesen Fonds gibt es wirklich. Stellen Sie sich nicht so stur. Ich meine es ernst, ich will Ihnen das Prinzip erklären.«
    »Das Prinzip bei Geldanlagen besteht im Grunde immer darin, dass andere damit mehr verdienen als ich, die Emittenten, also diejenigen, die Wertpapiere herausbringen, oder die Banken, die Anlageberater, besonders bei Fonds   ...«
    »Wir wollen keine Finanzmarktkritik betreiben und uns auch nicht am System vergreifen, wir wollen davon profitieren und einen umfangreichen Auftrag ins Haus holen, verstehen Sie? In Zeiten, wo wir weniger große Bordeaux verkaufen, müssen wir uns Alternativen überlegen. Ich bin sehr froh darüber.«
    »Sie wollen selbst investieren, in diesen Fonds?«
    »Herrgott noch mal, hören Sie zu und sagen Sie nichts mehr, okay?«
    »Gut, aber   ...«
    »Nichts! Verstanden?«
    Es fiel Philipp nicht leicht, bei diesem Thema ruhig zu bleiben. Dieser kaum von Fachleuten zu begreifende Markt von Annahmen und Glaubensbekenntnissen, von Erwartungen und Wetten auf eine Zukunft, die sich entzog, je näher man ihr kam, war ihm unheimlich. Er begriff sie nicht, diese Produkte, die keine waren, die niemand anfassen konnte, die Vorstellungen, die sich in Luft auflösten, Erwartungen, die sich über Nacht verflüchtigten (oder verflüchtigen sollten, wenn man Böses unterstellte), dazu alles in der Sprache Eingeweihter – das bereitete ihm Kopfschmerzen. Staatsanleihen begriff er, Aktien waren auch noch einigermaßen plausibel, unter Anleihen konnte man sich was vorstellen – aber Konstrukte wie Credit Default Swaps, Asset Backed Securities und Front Bonds waren für ihn allesamt Methoden einer wundersamen Geldvermehrung. Auch Wasser konnte bekanntermaßen zu Wein werden, wie bei der Fraktionierung: Man zerlegte ihn in seine chemischen Bestandteile, analysierte diese, nahm dann entsprechende Chemikalien in der nötigen Menge, löste sie in Wasser auf, gab Alkohol dazu und verkaufte das Teufelszeug als Wein –
made in USA
.
    Trotz seiner Zweifel nickte Philipp, um Langer Zustimmung zu signalisieren. Er begriff, dass der Chef sich nicht ernst genommen fühlte. Das vertrug kaum jemand, Langer schon gar nicht.
    »Damit Sie es besser verstehen: Ich als Anleger gebe jemandem Geld. Der kauft verschiedene Champagner und lagert sie. Der
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