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Caroline

Caroline

Titel: Caroline
Autoren: Felix Thijssen
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noch Verwandte?«
    »Wir haben keinen Kontakt zu Dolfs Familie, aber Karel versteht sich gut mit meinen Eltern. Sie hat sie erst im Frühjahr wieder für eine Woche besucht. Natürlich habe ich bei ihnen angerufen, aber sie haben sie nicht gesehen.«
    »Auf welcher Schule war sie?«
    »Auf dem Gymnasium am Schuttersweg.«
    »Hatte sie dort Freunde oder Freundinnen?«
    »Sie brachte manchmal ein Mädchen mit nach Hause, Tilly, den Nachnamen weiß ich nicht, aber seit sie mit der Schule fertig ist, habe ich niemanden mehr gesehen. Während der Examensphase kam ihr letzter Mentor gelegentlich abends zu Besuch.«
    »Der Klassenlehrer?«
    »Heutzutage heißt das Mentor. Harry van der Molen. Er tat so, als sei er an Karels Zukunftsplänen interessiert, doch es lief darauf hinaus, dass er versuchte sich an mich heranzumachen.«
    Ihr Tonfall und ein leichtes Lächeln besagten, dass sie daran gewöhnt war und dass auch ich früher oder später ihrem Charme erliegen würde. Mannequins brauchen einfach nur schön zu sein. Dieses hier konnte auch sprechen, doch das war in ihrem Beruf keine unbedingte Voraussetzung, ja, es wurde sogar davon abgeraten. Die Klatschblätter lösten dieses Problem, indem sie Fotos und selbst erfundene Storys über Valerie veröffentlichten, weshalb niemand wusste, wie sie wirklich war, und niemand ihr wahres Ich kannte. Ich musste mir große Mühe geben, keine Aversion gegen sie zu entwickeln.
    Ich schrieb mir sämtliche Namen auf, auch die des Hilversumer Kripobeamten, der den Fall bearbeitete. »Wann hast du die Polizei benachrichtigt?«
    »Am Donnerstagabend. Sie kam nicht nach Hause und ihr Bett war gemacht. Das brachte mich auf den Gedanken, dass sie schon seit Mittwoch verschwunden sein könnte oder noch länger.“
    »Das verstehe ich nicht.«
    Sie wirkte zufrieden, als sei es ein kleiner Triumph, dass sie zumindest etwas über ihre Tochter wusste. »Die Putzfrau kommt einmal die Woche, mittwochs. Sie hält Karels Dachstudio sauber und macht ihr Bett. Karel zieht es höchstens immer ein bisschen glatt.«
    »Weißt du, ob sie Post oder Anrufe erhalten hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Bekommst du eine detaillierte Telefonrechnung mit einer Liste der angerufenen Nummern?«
    »Nein.«
    Ich nickte. Darum konnte sich Nel kümmern. Ich schaute in mein Notizbuch. »Was hat Meneer Nijman von der Kripo gesagt?«
    Valerie zuckte mit den Schultern. »Dass sie vermutlich nicht entführt wurde, denn sonst hätte es schon längst eine Lösegeldforderung gegeben.«
    »Haben sie keine Fotos von ihr mitgenommen?«
    »Es gibt keine.«
    Ich runzelte die Stirn. »Wir leben im Zeitalter der Kamera.«
    Valerie reagierte störrisch und defensiv auf meine Bemerkung. »Es gibt nur wenige Fotos von ihr als kleines Kind«, sagte sie. »Ihr Passfoto stammt aus einem dieser Automaten und den Rest hat sie wahrscheinlich weggeworfen. Deshalb hat die Polizei nach ihrem Pass gefragt, aber den konnte ich auch nicht finden.« Sie seufzte. »Karel ist kamerascheu.«
    Eine für Valerie unbegreifliche Anomalie. Ich dachte an die Fotos, die Nel auf Porquerolles aufgenommen hatte, und fragte: »Wie kommt es eigentlich, dass Caroline so unansehnlich ist?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete sie wütend und heftig; die Frage überraschte sie und sie reagierte darauf, als wolle ich ihr ein Bankgeheimnis entlocken. Sie holte Luft und schüttelte den Kopf: »Man kann nichts daran ändern, Make-up macht es nur noch schlimmer. Sie besitzt eine schöne Perücke, aber sie trägt sie nie.« Valerie seufzte.
    Es klang, als habe sie sich alle Mühe gegeben, sei aber machtlos, da ihre Tochter sich weigerte, an der Vertuschung ihrer Hässlichkeit mitzuwirken, als ginge es im Leben nur um Äußerlichkeiten. Was für Valerie natürlich durchaus der Fall war.
    Ein Telefon auf einem Beistelltischchen läutete. Valerie meldete sich, lauschte und schaute mich fragend an. Ich gab ihr mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie das Gespräch ruhig annehmen solle, und flüchtete nach oben.
    Es war ein großes Dachgeschoss mit einer interessanten Deckenbalkenkonstruktion. Das Tageslicht fiel durch vier Fenster in einer breiten Dachgaube. Nel lag rücklings mit geschlossenen Augen auf dem Einzelbett, das mit dem Kopfende unter das Fenster rechts außen geschoben war.
    Der Fußboden knarrte unter meinen Schritten. Ich setzte mich neben sie auf die Matratze. »Hallo.«
    »Sie war aufgeregt«, sagte Nel. »Oder vielleicht auch begeistert.«
    »Weshalb?«
    Nel
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