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Carolin - GesamtWerk

Carolin - GesamtWerk

Titel: Carolin - GesamtWerk
Autoren: Juergen Bruno Greulich
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wieder eine Geschichte?«
    »Nein, das nächste Mal lässt du dich überraschen.«
    Das nächste Mal … Sie startete den Motor und fuhr los, ließ ein Winken für ihn zurück, das er nicht sah, da er in die andere Richtung ging, ohne sich nach ihr umzuschauen. Er hatte sie missbraucht, hatte sie wie eine Hure behandelt, es war obszön gewesen, erniedrigend und faszinierend. Es würde ein nächstes Mal geben, sie hoffte es jedenfalls, es wäre schrecklich, wenn er sie nicht mehr haben wollte, es wäre das Ende einer Welt, seiner Welt, von der sie doch noch viel zu wenig kannte …
     
     

02Auf dem Parkplatz
    02Auf dem Parkplatz
     
    Warten wurde Carolins Hauptaufgabe in den Tagen nach der Begegnung im Park, warten auf eine E-Mail Simons. Die Tage im Büro spulten herunter wie ein mittelmäßiger Film, bedeutungslos, die Kollegen waren Statisten, austauschbar, nur da, um die Kulisse zu füllen. Sie redete mit ihnen, lachte über die flauen Scherze und war gar nicht anwesend, hatte nur ihre Hülle geschickt, den Kokon, aus dem die »neue Carolin« geschlüpft war (oder noch schlüpfte), doch fiel es niemandem auf, da der Kokon wie gewohnt funktionierte und man mehr nicht erwartete. Zu Hause war sie geborgen, hier wohnte Simons Geist, er offenbarte sich im roten Kleid, das außen am Schrank hing, Erinnerung und Verheißung zugleich, und entströmte Simons Geschichten, die sie ausgedruckt hatte, jeweils acht Seiten. Diese Frau in den Erzählungen, die Helen hieß, war faszinierend, ergeben erfüllte sie jeden Wunsch und jeden Befehl, ohne sich jedoch aufzugeben, sie blieb Person, tiefer, glühender, lebendiger, vielschichtiger, vielleicht gar selbstbewusster als die Menschen, die Carolin kannte, das Geschöpf einer perversen Fantasie und doch mehr als eine imaginäre Figur, nämlich eine Möglichkeit …
    Jeden Abend schaltete sie den Computer ein und schaute nach, ob es endlich eine Nachricht von Simon gab, jeden Abend vergebens, eine ganze Woche lang. Aber dann, am Freitagabend, wurde die Hoffnung erfüllt, fast hatte sie nicht mehr darauf zu hoffen gewagt. Sie las den Text mit pochendem Herzen: »Hallo, Carolin, ich denke oft an dich, ich denke gern an dich. Nur leider werde ich ab Montag weniger Zeit für Gedanken an dich finden, da ich wieder mal für einige Tage bei der Messe beschäftigt bin auf dem Parkplatz Süd, du kennst ihn ja. Es wäre schön, wenn du mich mal besuchen würdest.«
    Natürlich kannte sie den Parkplatz Süd, dort hatte sie Simon kennengelernt vor ungefähr einem halben Jahr, sie waren für kurze Zeit Kollegen gewesen, er Parkplatzeinweiser und sie auch, bevor sie den Job bei der Messeverwaltung bekommen hatte. Und natürlich würde sie ihn besuchen, gleich am Montag; ein wohliges Kribbeln begleitete sie durch den Abend, selten hatte sie das Ende des Wochenendes herbeigesehnt, dieses aber war viel zu lang.
    Sorgfältiger als sonst machte sie sich für die Arbeit zurecht, duschte am Morgen gleich nach dem Aufstehen, was sie selten tat, schminkte die Lippen, legte das dunkle Parfüm auf, nicht das leichte für leichte Abende und jeden Tag, tat sich schwer mit der Wahl der Kleidung und entschied sich schließlich für einen kurzen schwarzen Faltenrock und eine dunkelrote Bluse, mit Rüschen besetzt, sehr feminin. Die oberen beiden Knöpfe ließ sie offen, verstohlen lugte der Spitzensaum des schwarzen BHs hervor. Die Sonne schien, es war frühlingshaft warm, frisches Grün spross an Bäumen und Sträuchern, es war, also wolle der Himmel beste Voraussetzungen für das Treffen mit Simon schaffen. An diesem Tag war nicht nur ihr Kokon im Büro, sondern die ganze Carolin, ihre erwartungsvolle Stimmung blieb nicht verborgen.
    Natascha, die etwa in Carolins Alter war und mit der sie sich recht gut verstand, betrachtete sie mit einem vielsagenden Blick. »Hübsch siehst du aus. Gibt es heute etwas Besonderes?«
    »Nein, nein«, antwortete Carolin so leichthin wie möglich. »Das liegt wohl am Wetter.« Sie scheute sich einzugestehen, dass sie sich auf einen Parkplatzeinweiser freute, da diese im Büro in keinem hohen Ansehen standen. Sie fühlte sich feige, fühlte sich wie Petrus, der seinen Messias verleugnet hatte, und verleugnete zugleich sich selbst, ihre Gedanken, ihre Gefühle, denn dachte sie an Simon, kam ihr unweigerlich dessen Helen in den Sinn, fühlte sie sich fast wie diese, und tauchte das Bild des Parks auf, die Bank, die rauschhafte Lust; fest waren diese Assoziationen mit seinem Namen
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