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Cantz schoen clever

Cantz schoen clever

Titel: Cantz schoen clever
Autoren: Guido Cantz
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(nicht zu verwechseln mit ROM : Hauptstadt von Italien)
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    Aber nicht nur die Computerbranche hat eine eigene, aus Abkürzungen bestehende Sprache. In einigen besonders abkürzungslastigen Fachgebieten fühle ich mich trotz des Buchstabentohuwabohus durchaus zu Hause, zum Beispiel in der Autowelt. Wer mir also einen GTI mit ABS und ESP als KFZ anbietet, der spricht meine Sprache. Bei anderen Fachjargons verstehe ich hingegen kein Wort. Heikel sindauch Kontaktanzeigen-Kürzel. Ihre sichere Beherrschung ist von Vorteil, wenn man sich nicht unversehens an den Füßen aufgehängt in einem mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Domina-Keller wiederfinden möchte, nur weil man dachte, SM -Liebhaber seien – wie man selbst – begeistert vom Kleinstaat San Marino.

    Manchmal reicht schon der Blick in eine ganz normale Wohnungsanzeige, um eine Ahnung davon zu bekommen, was Abkürzungen so alles anrichten können. Als wir uns vor ein paar Jahren nach einem neuen Haus umschauten, blätterte meine Frau den Kleinanzeigenteil der Tageszeitung durch und rief: »Hör mal, Guido – das klingt doch prima: EFH , 5 ZKDB , EBK im EG , FBH , WG , DB im DG , und die KM ist auch OK !« Mein erster Gedanke: Wir werden vom Geheimdienst abgehört, meine Frau hat gerade noch rechtzeitig Wind davon bekommen, und jetzt redet sie in einer codierten, nur für uns beide bestimmten Geheimsprache, die fast vollständig auf Vokale verzichtet. Also flüsterte ich zurück: »‘ch h‘b‘ d‘ch v‘rst‘nd‘n, m‘‘n Sch‘tz. D‘r BND h‘t ‚ns‘r‘ W‘hn‘ng m‘t M‘kr‘ph‘n‘n v‘rw‘nzt. W‘r w‘rd‘n ’bg‘h‘rt, st‘mmts?« Jetzt war es meine Frau, die ratlos guckte: »Guido, hast du den Verstand verloren? Oder warum sprichst du plötzlich Tschechisch!?« Es dauerte eine Weile, bis wir unser Missverständnis aufgeklärt hatten. Als wir uns endlich wieder normal unterhalten konnten und uns auf die Anzeige meldeten, war das schöne Einfamilienhaus mit 5 Zimmern, Küche, Diele, Bad, mit Einbauküche im Erdgeschoss, Fußbodenheizung, Wintergarten, Duschbad im Dachgeschoss und einer Kaltmiete, die völlig okay war, leider schon anderweitig vergeben.
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    GUT ZU WISSEN
    Mit dem Song MfG hat die Stuttgarter Hip-Hop-Band Die Fantastischen Vier dem Abkürzungswahn ein immerwährendes Denkmal gesetzt. Insgesamt zählte sie in 3 Minuten und 33 Sekunden unglaubliche 86 verschiedene Abkürzungen auf. Merken Sie sich das, falls Sie mal bei Günther Jauch sitzen und ausgerechnet danach gefragt werden, wenn es um die Million geht.
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    Ein paar wenige Ausnahmen im Abkürzungsuniversum sind Klassiker und werden als solche selbst von mir akzeptiert. Ich trinke zum Beispiel gerne O-Saft, schalte jeden Abend die ARD an und zahle folgerichtig regelmäßig Gebührenbei der GEZ . Wo Wortverstümmelungen den Alltag erleichtern, sind sie mir herzlich willkommen. Wo sie Chaos verursachen, allerdings nicht. Vielleicht liegt das an den traumatischen Erfahrungen mit Abkürzungen, die ich als Kind gemacht habe: Jedes Mal, wenn wir am ersten Tag der Weihnachtsferien mit dem Auto nach Österreich aufbrachen, sagte mein Vater kurz hinter Köln: »Kinder, wir sind gleich da. Ich kenne eine tolle Abkürzung.« Wir brauchten natürlich immer länger als ohne Abkürzung. Zweimal kamen wir sogar erst zu Dreikönig an. Und einmal gar nicht.
    Seitdem versuche ich, jede Abkürzung im Zusammenhang mit Reisen zu umgehen. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Erst recht, wenn man mit dem Flugzeug unterwegs ist, wie ich kürzlich erfahren musste. Dabei hatte ich mich so auf unsere erste richtige Fernreise als kleine Familie gefreut. Das Reiseziel hieß Mauritius. Zumindest, was uns drei betraf. Unser Gepäck hatte anscheinend eigene Pläne.
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    DAS GEHT JA GAR NICHT!
    Jedes Jahr verschwinden weltweit auf den Flughäfen bis zu 50 Millionen Koffer. Damit liegen sie auf Platz 3 der Liste der am häufigsten verschwundenen Dinge, direkt hinter einzelnen Herrensocken und Hotelhandtüchern.
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    Als wir wohlbehalten auf Mauritius gelandet waren, warteten wir so lange am Kofferband, bis alle anderen Mitreisenden samt Gepäck den Flughafen verlassen hatten und wir mutterseelenallein in der Halle standen. Dann hörte ich, wie ich über Lautsprecher ausgerufen wurde.
    »Schatz«, sagte ich, einer düsteren Ahnung folgend, »wirhaben doch sicher alles wirklich Wichtige für die nächsten Tage im Handgepäck, oder?«
    Die Augen meiner Frau begannen sich mit Tränen
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