Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
Vom Netzwerk:
erinnerte ich mich an ein Telefongespräch mit meinem Sohn, das ich kurz vorher geführt hatte. Er hat Schwierigkeiten mit einer Lehrerin, die ihn durchfallen lassen will. Er zählte mir die Noten seiner bisherigen Arbeiten auf. Und da hatte ich die Antwort. Der Kerl vergab Schulnoten – in Form von Federn.“
    „Ich verstehe“, sagte Charles Wegner. „Ich erzählte damals, dass Horst gerufen hatte, dass die Ente besser gewesen sei. Und diese Ente nahm er als Maßstab, wie sehr ihn der Todeskampf der Mädchen befriedigt hat.“
    „Sie schalten aber schnell“, sagte Marc anerkennend. „Sie hätten einen guten Ermittler abgegeben.“
    „Danke für die Blumen, aber das glaube ich nicht. Sein Motiv war also rein sexueller Natur?“
    „Ja, die Auswahl der Opfer traf er nach körperlichen Merkmalen. Die dicke Türkin, die schöne Krankenschwester, eine dunkelhäutige Professionelle, ein zierliches Kind und eine kraftstrotzende Weltklassesportlerin. Alle Frauen waren Ausländerinnen, die er aus praktischen Überlegungen auswählte, um uns auf eine falsche Fährte zu locken. Die Opfer benotete er nach dem Ausmaß an Befriedigung, die ihm die Todeskämpfe der Frauen verschafften. Er suchte den ultimativen Orgasmus. Und was ich besonders hasse, er hat ihn gefunden. Dass es sein eigener Todeskampf war, der ihm die absolute sexuelle Befriedigung verschaffte, ist eine Ironie des Schicksals.“
    „Aber warum gerade Schreudl?“
    „Er war zwölf Jahre mit einer Lehrerin verheiratet. Vor einem halben Jahr hat sie ihn aus der Wohnung geschmissen. Die Notengebung könnte eine sarkastische Abrechnung mit seiner Frau sein. Hass treibt seltsame Blüten. Jedenfalls brachte mich dieser vage Zusammenhang dazu, Schreudl näher zu durchleuchten. Er wollte unbedingt ein hohes Tier in der Politik werden. Bei den Blauen war er Privatsekretär von Kurt Hamnig. Als die Wahlen schiefgingen, versprach ihm der scheidende Staatssekretär, seine Karriere zu fördern. Erst arbeitete er in der Parteizentrale, dann besorgte ihm Hamnig einen Job bei der Asfinag. Schreudl war ständig in seiner Umgebung präsent und vertraute ihm blind. Im Sommer des Vorjahres durchlebte Schreudl zwei einschneidende Ereignisse. Kaum hatte ihn seine Frau verlassen, wurde bei Hamnigs Enkeltochter eine schwere Schilddrüsenkrankheit diagnostiziert. Regine Schellnack, so heißt die kleine Patientin, wurde operiert, aber der Ausgang der Krankheit ist unklar. Johann Schreudl besuchte mit Hamnig täglich dessen Enkelin im Spital. Hamnig entschloss sich, seine verwitwete Tochter bei der Betreuung der kleinen Regine zu unterstützen und aus der Politik auszusteigen. Diesen Entschluss teilte er Schreudl am 26. August des Vorjahres am Krankenbett seiner Enkelin mit. Für Schreudl musste eine Welt zusammengestürzt sein. Alle seine Pläne, Hoffnungen und Erwartungen waren mit einem Schlag zunichte. Er hatte seine Familie für die angestrebte Karriere geopfert, hatte sein Schicksal in die Hände des Politikers gelegt. Und von einer Sekunde auf die andere stand er vor den Trümmern seiner politischen Existenz. Das war der Auslöser für seine Taten. Seine Sexualfantasien hatte er schon jahrelang entwickelt, und diese Mitteilung öffnete sämtliche Schleusen in seinem Gehirn. Jedenfalls hatte eine gewisse Krystyna Gartner im Spital am selben Tag eine lautstarke Auseinandersetzung mit einem Arzt. Schreudl beobachtete den selbstbewussten Auftritt der Frau. Hasserfüllt verfolgte und attackierte er sie am Nachmittag auf einem Parkplatz. Der Überfall schlug fehl, er konnte unerkannt flüchten. Für Schreudl war das Spital der Ort des Bösen. Daher wählte er seine ersten Opfer aus dieser Umgebung. Erst Emine Düzel, dann Maricela Rodriguez. Ein weiteres Indiz für einen Tatverdacht lieferte mir ein Telefongespräch mit seiner Frau. Sie wusste zwar nichts von einer Allergie ihres Mannes, gab aber an, dass er hin und wieder an einem Hautausschlag litt. Und der Täter verwendete latexfreie Kondome.“
    „Woher wissen Sie über seine Motive Bescheid?“
    „Johann Schreudl führte genaue Aufzeichnungen. Darin begründete er detailliert seine Beweggründe und sein Auswahlverfahren.“
    „Und die Nutte? Hatte die auch Verbindungen zum Spital?“
    „Fay war eine unliebsame Zeugin. Schreudl lebte seine Fantasien schon früher in abgeschwächter Form aus. Und Fay war die Einzige, die sein Gesicht gesehen hatte. Schreudl war sehr vorsichtig. Nach dem Mord an Emine Düzel verbesserte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher