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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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ein verregneter Herbsttag, der ihm seine Aufgabe nicht gerade erleichterte. Kaum einen Steinwurf entfernt befand sich die nordvietnamesische Botschaft, das Objekt seiner Überwachung. Die Nordvietnamesen standen in ständigen Friedensverhandlungen mit den Amerikanern. Obwohl die Amerikaner diese Woche einen neuen Friedensplan vorgelegt hatten, war erstaunlich wenig Betrieb in der Botschaft. Ab und zu öffneten sich die Gittertore des hermetisch abgeriegelten Gebäudes. Lieferfahrzeuge fuhren in den Hof und verließen ihn bald darauf wieder.
    Um Punkt 16 Uhr kam plötzlich Bewegung in die Rue Boileau. Die Gittertore öffneten sich, und sechs Sicherheitsleute eilten auf die Straße. Zwei Mann sicherten den Gehsteig, etwa zehn Meter links und rechts der Einfahrt. Zwei andere postierten sich am gegenüberliegenden Gehsteig, zwei sperrten die Straße ab. Dann kam eine schwarze Limousine aus der Ausfahrt, flankiert von zwei Security-Leuten. Einer davon versicherte sich, dass keine Gefahr drohte, dann winkte er in den Innenhof. Eine zweite und eine dritte Limousine verließen die Botschaft. Der dritte Wagen stoppte kurz, die zwei Sicherheitsleute stiegen ein. Dann brauste der Konvoi Richtung Innenstadt davon.
    Er hatte den Vorgang mit seinem Fernglas beobachtet. Und ihm war plötzlich heiß geworden. Jetzt hatte er Gewissheit, dass seine Vermutung richtig war.
    Um 21 Uhr kehrte der Konvoi zurück. Die Sicherheitsmaßnahmen vom Nachmittag wiederholten sich. Ein Blick durch das Fernglas bestätigte seinen Verdacht erneut. Draußen schüttete es in Strömen. Er war sich sicher, dass heute Nacht nichts mehr passieren würde.
    Sonntagmorgen bezog er wieder seinen Wachposten. Das Wetter war kühl und windig. Nur ab und zu blinzelte die Sonne durch den Wolkenvorhang. Die Botschaft wirkte verlassen. Niemand kam heraus, niemand begehrte Einlass. Am späten Nachmittag wuchs seine Unruhe. Er hatte das Gefühl, dass sich die Dinge heute zuspitzen könnten. Als die Straßenlaternen eingeschaltet wurden, war er hellwach. Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete er die menschenleere Straße. Plötzlich schnellte er aus seinem Stuhl. Ein Blick durch das Fernglas gab ihm Gewissheit.
    Es war 21.30 Uhr. Eine Gestalt mit dunklem Hut und weitem schwarzem Mantel trat aus dem Eingang der Botschaft. Der Mann blickte nach links und nach rechts, zog den Kopf zwischen die Schultern und marschierte Richtung Boulevard Exelmans. Nun hieß es, schnell zu handeln. Er schlüpfte in seine Army-Jacke, stellte den Kragen auf und rannte los. Vor der Bäckerei verharrte er kurz. Die dunkle Gestalt war soeben in den Boulevard Exelmans eingebogen und marschierte Richtung Bois de Boulogne. Er ließ ausreichend Abstand, dann folgte er dem Mann. Nach ein paar hundert Metern bog die Gestalt in den Bois de Boulogne ab. Er musste verdammt auf der Hut sein. Zu nahe durfte er ihm nicht kommen. Aber es bestand auch die Gefahr, dass er ihn in dem weitläufigen Park aus den Augen verlieren könnte. Er nutzte jede Deckung, jeden tiefen Schatten und jeden Baum, um unsichtbar zu bleiben.
    Die Gestalt hielt an, setzte sich auf eine Bank. An den kleinen Wegen, von der Bank gut einsehbar, standen, vereinzelt oder in Grüppchen, einige Huren. Der Mann auf der Parkbank wartete geduldig. Freier kamen vorbei, und manche verschwanden nach kurzen Verhandlungen mit den Prostituierten in den Büschen. Solange die Mädchen zu zweit warteten oder zu nahe beieinander standen, rührte sich der Mann auf der Bank nicht. Plötzlich erhob er sich und ging auf ein Mädchen zu. Ihre Kollegin hatte sich eben mit einem Freier entfernt. Jetzt stand sie mutterseelenallein mit ihren hochhackigen Stiefeln, ihren Hot Pants und ihrer knappen Bluse im Park und fror. Der Mann aus der Botschaft sprach kurz mit ihr und deutete in die Richtung, in die er sich mit ihr zurückziehen wollte. Das Mädchen trat seine Zigarette aus, dann gingen sie los.
    Er schlich vorsichtig aus seinem Versteck. Die Entfernung zu der Stelle, an der das Paar verschwunden war, betrug etwa 60 Meter. Er bewegte sich wie ein jagender Panter. Die leichte Nervosität war verflogen und hatte kalter Entschlossenheit Platz gemacht. Jetzt musste er sie im weitläufigen, dicht bewachsenen Gelände aufspüren. Er hielt kurz inne und sah sich um. Er würde die beiden unter einem ausgewachsenen Baum finden, davon war er überzeugt. Kurz orientierte er sich. Dann entdeckte er, ungefähr 30 Meter entfernt, die Silhouette einer alten knorrigen Eiche
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