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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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zu sein.“
    „Herr Wegner, das sehe ich vollkommen anders. Ohne Ihre Hinweise würden wir noch immer im Dunklen tappen. Sie haben einer Weltklassesportlerin das Leben gerettet. Und was den Täter betrifft: Er hat Ihre Geschichte zu seiner Fantasie gemacht. Wären Sie nicht gewesen, hätte er sich etwas anderes zurechtgeträumt. Wir werden niemals nachvollziehen können, was in kranken Hirnen vorgeht. Wir müssen die Auswüchse minimieren und die Trümmer aufräumen.“
    „Hmm, darüber muss ich in Ruhe nachdenken, Herr Oberst“, sagte Wegner mit bedrückter Stimme. „Und wie geht es Ihnen, nachdem Sie den Serienmörder zur Strecke gebracht haben?“
    „Herr Wegner, heute bin ich glücklich. Das sind die Tage, an denen ich die emotionalen Früchte meiner Arbeit ernte. Dafür bin ich Polizist geworden.“
    „Das kann ich nachvollziehen. Ich kenne das Gefühl, siegreich aus einer Schlacht nach Hause zu kommen. Auch wenn unser Geschäft der Tod ist. Außenstehenden sind diese Glücksgefühle allerdings nur schwer zu vermitteln.“
    „Da gebe ich Ihnen recht, Herr Wegner“, sagte Marc und schlürfte den Rest seines Kaffees.
    „Herr Vanhagen, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich jetzt nach Hause bringen könnten.“
    „Gern, Herr Wegner. Ich muss gestehen, dass ich ziemlich müde bin. Und ehrlich gesagt, freue ich mich darauf, einen netten Abend mit meiner Familie zu verbringen.“

Epilog
    Wien, Paris, Oktober 1972
    Er saß gemütlich in seinem bequemen Polstersessel. Wie jeden Tag um diese Zeit zündete er sich genüsslich eine Gauloises an und nippte an einem Glas mit französischem Rotwein. Es war 22 Uhr und damit Zeit für seine tägliche Lektüre. Er nahm die Zeitung zur Hand und begann zu lesen. Per Post ließ er sich die französische Tageszeitung Le Figaro nach Wien schicken. Er erhielt die Zeitung zwar erst zwei Tage nach ihrem Erscheinungsdatum, aber das war ihm egal.
    „Durchbruch bei Friedensverhandlungen?“ prangte in großen Lettern auf der Titelseite. Interessiert vertiefte er sich in den Leitartikel. Der amerikanische Außenminister zeigte sich in einer Pressekonferenz zuversichtlich, einen baldigen Waffenstillstand mit dem Vietcong zu erreichen. Damit wären die Weichen für ein Ende des Vietnamkriegs gestellt. Er blätterte weiter. Im Inlandsteil fiel ihm eine kleinere Schlagzeile auf: „Prostituiertenmord im Bois de Boulogne.“ Er las den Artikel und stutzte. Er las ihn nochmals, dann legte er die Zeitung beiseite und nahm einen großen Schluck Wein. Nachdenklich suchte er die Ausgabe des Figaro vom Vortag. Er konnte sich erinnern, einen Bericht über die Ankunft der beiden Verhandlungsdelegationen gelesen zu haben. Daneben waren Gruppenfotos von beiden Abordnungen abgebildet. Er betrachtete die Fotos. Dann holte er eine Lupe, um sie genauer zu studieren. Langsam legte er Lupe und Zeitung beiseite und trank den Rest des Weins aus. Dann stand er auf und ging zu seiner Frau, die in der Küche hantierte.
    „Schatz, ich muss morgen für ein paar Tage weg“, sagte er. „Wahrscheinlich bis nächsten Dienstag. Ich geh schon mal packen.“ Seine Stimme klang endgültig. Seine Frau ersparte es sich, nachzufragen. Wenn er diesen Ton anschlug, erhielt sie nie eine Antwort. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass er gewisse Dinge von ihr fernhielt.
    Am nächsten Morgen frühstückte er wie gewohnt. Er küsste seine Frau und seine kleine Tochter und fuhr zum Bahnhof. Bevor er abreiste, rief er in der Firma an. Er gab vor, aus familiären Gründen Urlaub zu brauchen.
    Nach seiner Ankunft am Bahnhof Paris-Est nahm er ein Taxi und fuhr in die Rue Boileau. Es war schon Abend, und er brauchte eine Unterkunft. Dabei hatte er enormes Glück. Genau an der Ecke Rue Boileau und Boulevard Exelmans war im ersten Stock über einer Bäckerei ein Zimmer zu vermieten. Er zahlte eine Monatsmiete im Voraus und bezog das Zimmer. Ein Blick aus dem Fenster genügte ihm. Er nickte zufrieden, denn er hatte den perfekten Standort gefunden. Dann ging er zu Bett.
    Frühmorgens richtete er seinen Beobachtungsposten ein. Er stellte einen Stuhl und den kleinen Tisch zum Fenster und legte sein Fernglas griffbereit vor sich hin. Sorgfältig stapelte er Zigaretten und Verpflegung auf der Tischplatte. Er zog sich einen schwarzen Rollkragenpullover über, schlüpfte in seine engen Jeans und schnürte sich die schwarzen Stiefel. Sein Messer schob er, aus alter Gewohnheit, in den Stiefel. Dann setzte er sich ans Fenster. Es war
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