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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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Ohr. Marc konzentrierte sich und plötzlich hörte er auch, was Johannes ihm mitteilen wollte. Das Geräusch klang wie ein leises Stöhnen. Marc fuhr der Schreck in die Glieder. Blitzartig tauchten alle möglichen Bilder in seinem Kopf auf und verschwanden wieder. Die Vorstellung von dem, was im Inneren des Kastenwagens vor sich gehen könnte, versetzte ihn für einige Augenblicke in Panik. Er verspürte den Impuls, einfach nach vor zu laufen und einzugreifen. Aber sein Verstand gewann sofort Oberhand über seine Gefühle. Er schätzte die Lage ein und traf eine Entscheidung. Per Handzeichen wies er Johannes an, sich an der linken Seite des Kastenwagens vorbeizuschleichen. Er selbst wählte die rechte Seite. Langsam setzten sie sich in Bewegung. Jetzt nur keinen Schritt machen, der Geräusche verursacht, dachte er. Je näher er dem Fahrzeug kam, desto lauter hörte er das Stöhnen aus dem Laderaum. Und jetzt bestätigte sich sein Verdacht. Das Fahrzeug war ein Ford Transit. Er bewegte sich seitlich am Wagen vorbei. Die hinteren Flügeltüren des Fahrzeugs waren weit geöffnet und aus dem Laderaum fiel ein schwacher Lichtschein. Marc ging hinter der offenen Flügeltür in Stellung. Mit einem schnellen Blick vergewisserte er sich, dass Johannes auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls einsatzbereit war. Er zeigte ihm drei Finger und Johannes nickte. Marc atmete tief durch. Alle Sinne waren geschärft. Er hob die linke Hand und streckte drei Finger hoch. Und plötzlich spürte er, wie die Anspannung aus Körper und Kopf entwich. Er war ruhig, sein Kopf klar. Es war Zeit zu handeln. Im Sekundentakt winkelte er nacheinander Mittelfinger, Zeigefinger und Daumen als Countdown ab. Drei ..., zwei ..., eins ..., zählte er lautlos mit. Dann schnellte er mit einem mächtigen Sprung vorwärts und hatte jetzt freie Sicht in das Wageninnere.
    „Polizei, keine Bewegung“, brüllte Marc, seine Waffe im Anschlag.
    Das Bild, das sich Marc bot, würde er sein Leben lang nicht vergessen. Der Laderaum des Kastenwagens präsentierte sich wie ein Fotostudio. Vier kleine Scheinwerfer an den Seitenwänden und Schirme, als Reflektoren angebracht, sorgten für eine perfekte Ausleuchtung. An der rechten Seitenwand hing ein 25 Zentimeter tiefes Regal aus Edelstahl, auf dem zwei Camcorder montiert waren. In der linken Hälfte des Laderaums, ein wenig hinter der Wagenmitte, stand eine in einen grauen Tyvek-Anzug mit Kapuze gehüllte Gestalt. Der Mann, mit dem Rücken zu Marc stehend, bewegte seine Hüften ruckartig nach vor und zurück. Links und rechts zuckten durchgestreckte, öl- und schweißverschmierte, muskulöse, gespreizte Mädchenbeine, zerrten unaufhörlich an den schweren Fußfesseln aus Stahl, die an im Boden eingelassene Stahlringe gekettet waren. Vor der grauen Gestalt baumelte eine am Dach befestigte straff gespannte Kette hin und her. Und jetzt nahm Marc auch die Geräusche wahr. Er hörte das Stöhnen einer Frau, die um ihr Leben kämpfte. Und er hörte das erstickte Keuchen eines Mannes in Ekstase. Er war nach Marcs Ruf nur kurz zusammengezuckt, führte aber einen weiteren kräftigen Stoß mit der Hüfte aus.
    „Keine Bewegung, treten Sie sofort zurück“, brüllte Marc nochmals.
    Der Mann reagierte, drehte den Kopf ein wenig nach rechts und griff mit der rechten Hand zum Regal. Er schnappte zu und bewegte seine Hand blitzschnell nach vor. Marc sah ein kurzes Aufblitzen. Schlagartig war ihm klar, was der Mann in Händen hatte. In Bruchteilen von Sekunden schätzte er die Lage ein. Und erkannte, dass er aus seiner Position nicht schießen konnte, ohne das Mädchen zu gefährden.
    „Messer!“, schrie er. „Feuer frei!“
    Die Aufforderung galt Johannes, der auf der rechten Seite in Stellung gegangen war. Er befand sich etwa einen Meter schräg hinter Marc. Nach dem Einsatzbefehl war er ebenfalls vorwärts gesprungen. Im Gegensatz zu Marc hatte er sofort eine kniende Position eingenommen, aus der er sowohl den Mann als auch die gefesselte Frau erkennen konnte. Sie schüttelte fortwährend ihren geschundenen Körper. Ihr Kopf steckte in einem gelben Sack, ihr Hals war in einen stählernen Pranger gezwängt. Johannes hatte die schnelle Handbewegung ebenfalls gesehen und den Atem angehalten. Marcs Ruf dröhnte noch in seinen Ohren, als er abdrückte. Der Knall des Schusses hallte wie ein Peitschenschlag durch die Halle.
    Der Oberkörper der grauen Gestalt wurde ruckartig nach vor gerissen. Das Messer, das schon gefährlich
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