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Camorrista

Titel: Camorrista
Autoren: Giampaolo Simi
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und die schwarzen Dächer glänzen, doch es sieht so aus, als würde die Sonne doch noch herauskommen. Ich steige ins Auto, ohne Schal oder Hut abzunehmen. Auch wenn der Kaffee furchtbar geschmeckt hat, war es doch gut, zwei Tassen in mich reinzugießen.
    Außerhalb der Stadt wird aus dem Nebel so etwas wie pulverisiertes Eis. Wenn es Nacht wäre, würde man besser sehen. Stattdessen verbreitet sich im Dunst ein bleiches Licht und erfasst alles. Es scheint jeden freien Raum einzunehmen, ist leicht, doch erstickend.
    Es ist Sonntagmorgen. Um mich herum nur Felder, glaube ich jedenfalls. Zuerst war das Gras dunkel, kurz, jetzt sehe ich nur noch braunes, hohes und trockenes Gestrüpp. Die Straße endet auf einem Platz mit Containern, einer blauen Garage, ein paar Lastwagen mit Anhängern.
    Ich beschließe, das Auto zwischen dem Containerturm und der Garage zu parken, versteckt und mit der Motorhaube zur Straße.
    Ich muss die schmalen Wege, die von dem Platz abgehen, einen nach dem anderen absuchen. Umgeben bin ich von mindestens zehn Meter hohen Hügeln lockerer Erde, und außer dem Krächzen der Krähen ist nichts zu hören. Ich kann sie nicht sehen, und deshalb stelle ich sie mir wie böse Geister vor, die über einem verwüsteten Schlachtfeld kreisen (aber nein, es ist nur eine Baustelle, es ist Sonntagmorgen, und sie arbeiten heute nicht, das ist alles).
    Ich gehe an einer Reihe Häuser vorbei, deren Hausnummern mir unwirklich erscheinen. Nur in einem Garten parkt ein Auto. Ein Stück weiter stehen ein paar weiße, einstöckige
Gebäude mit quadratischen Fenstern. Büros und Lagerräume, würde ich sagen.
    Das graue Haus ist das letzte, bevor das Gelände leicht ansteigt. Es steht zwischen dem Weg und einem steil abfallenden Graben mit schwarzem Wasser, aus dem ein feiner Dunst aufsteigt. Auf dem Briefkasten ein verblasster Namenszug und die Nummer 21. Das Haus sieht aus, als wäre es aus Kohlesteinen gebaut, der Garten ist verwahrlost, doch die Rahmen sind erst kürzlich frisch gestrichen worden, die Fensterscheiben sind sauber, die Tür hat einen Knauf ohne eine Spur von Rost.
    Ich nehme die Schlüssel ( kommen Sie nach Italien zurück, sofort ).
    Ich gehe nach Italien zurück, um mir Tritte in den Hintern abzuholen. Falls ich keine Lust habe, mich gegen D’Intrò zu stellen, herauszufinden, wie es kommt, dass ich bei der Verfolgung der Bestie Cocíss, des grausamsten Capozona im Viertel 167, die Tochter des Hauptkommissars treffe. Ihn zu fragen, ob diese blöde Kuh regelmäßig gebucht wird, weil sonst Vergeltung vonseiten des Vaters droht. Und was Leute wie David Stevens oder die McDougall oder ihr Mann von einem italienischen Polizisten zu befürchten hätten.
    Nein.
    Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und sage mir, dass ich zwei Stunden zur Ausführung meines Plans habe. Dass dieser Ort wirklich ideal für meinen Plan ist. Dass diese blauen Flecken, diese Kratzer im Gesicht, diese Male, die er mir beigebracht hat, dass all das absolut ideal für meinen Plan ist. Wenn D’Intrò niemanden aus Italien herschicken will, um Cocíss festzunehmen, werde ich ihn festnehmen lassen, und zwar von der hiesigen Polizei.
    Ich kontrolliere, ob mein Handy ein Netz hat, suche schon mal die Notfallnummer 999 heraus. Ich muss alles perfekt timen und meine Rolle gut spielen.
     
    Die abgelaufenen Dielen knarren unter meinen Füßen. Der Eingang ist beinahe vollkommen von Karteikästen aus milchweißem
Metall versperrt, die Küche mit Pappkartons vollgestopft. Im Wohnzimmer stapeln sich kreuz und quer mindestens fünfzehn oder zwanzig Jahre alte große Harddisks, Schreibtischlampen und Drucker mit Endlospapier. Auf allem liegt eine Schicht aus schwarzem, körnigem Staub.
    Die Wände sind kahl, im oberen Stockwerk tropft ein Wasserhahn. Ich drücke auf einen Lichtschalter, doch es tut sich nichts. Ich beschließe, nicht raufzugehen, noch nicht. Gehe auf die Tür zu, die nach hinten führt. Ein alter Holzofen mit seinem braunen, glänzenden Rohr scheint fast der modernste und am besten erhaltene Gegenstand im Haus zu sein. Auf einer Konsole stehen Teekannen in Reih und Glied, auf einem unscheinbaren Schreibtisch sind Keramikrahmen mit Kohlezeichnungen aufgestellt, Porträts von Mädchen und jungen Frauen in bäuerlicher Tracht mit Strohhüten oder Blumen im Haar.
    Da ist ein Knarren. Wie ein gespenstisches Wimmern.
    Ich halte inne und schaue meine Füße an. Sie bewegen sich nicht.
    Ich bin es nicht gewesen, und doch habe ich
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