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Calendar Girl

Titel: Calendar Girl
Autoren: Franziska Hille
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»Hast du die Krosse noch?«
    Ich muss lachen. Ronnie ist schrecklich. Sie verteilt schneller Spitznamen, als man sich ducken kann. »Die Krosse« ist eine gut betuchte Lady mittleren Alters, bis zur Ausdruckslosigkeit geliftet und gebotoxt und sonnenbankgebräunt wie eine krosse Schweinshaxe.
    »Ja, die hab ich noch. Aber sonst ...«, ich zucke die Achseln. »Es wird schon wieder jemand kommen.«
    Ronnie sieht mich nachdenklich an. Dann taucht sie hinter die Theke und ich höre sie kramen. Nach einer Weile kommt sie wieder hoch und schiebt mir einen Zettel hin. »Ruf den mal an«, sagt sie. »Er ist eine Nervensäge, aber er hat Geld. Und er sucht ständig eine Trainerin.«
    Ich nehme den Zettel, auf dem ein Name und eine Handynummer stehen, und sehe Ronnie fragend an. Sie klang irgendwie unbehaglich.
    »Was ist mit ihm?«, frage ich.
    Ronnie pustet ein kitzelndes Haar aus dem Gesicht. »Er verschleißt seine Trainerinnen schneller als Jamie seine Lover.« Sie grinst schief. »Ich wollte ihm keine von euch mehr vermitteln.«
    »Nur Trainer innen ?«, frage ich sicherheitshalber. Wahrscheinlich ist er ein Grabbler. Die Sorte kann ich mir in der Regel ganz gut vom Leib halten.
    Sie nickt und hebt die Brauen. »Du kriegst das hin«, sagt sie. »Er ist großzügig. Ich weiß nicht, was er macht, aber deine Vorgängerinnen haben sich irgendwann geweigert, weiter mit ihm zu arbeiten. Ich weiß nicht, warum. Sie haben alle gesagt, es wäre okay und nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsste, er wäre einfach nur anstrengend.«
    »Na super«, murmele ich und stecke den Zettel ein. Dann trinke ich meinen Kaffee, schultere meine Tasche und verschwinde in der Personal-Umkleide. Mein Tae Bo-Kurs beginnt um Fünf und ich möchte vorher selbst noch ein Workout machen.
    Nach dem Kurs schwatze ich noch ein wenig mit zwei unserer Stammkundinnen und mache dezent Werbung für mein Personal Training. Dann dusche ich. Vom Trainingsraum nebenan dröhnen die Bässe herüber, dass der Boden schwingt, und ich kann die Kommandos hören, die Jens in sein Mikro brüllt. Der Cycling-Kurs. Ich glaube, den Schweißgeruch durch die Lüftungsschlitze zu riechen und rubbele mir die Haare trocken. Ich habe sie gut hochgebunden, aber irgendwie schaffe ich es nie, zu duschen, ohne dass sie nass werden. Vielleicht sollte ich sie wirklich endlich ganz kurz schneiden. Yoshi hat ja nun nichts mehr zu meckern.
    Der Stich, als ich an Yoshi denke, ist kurz, kaum noch schmerzhaft. Ich föhne meine Haare und starre mich im Spiegel an. Kurze Haare wären viel praktischer in meinem Job. In diesem meiner vielen Jobs. Das hier mache ich schon länger als alles andere, vielleicht bleibe ich sogar dabei. Es macht mir Spaß, die Bezahlung ist ganz okay, so lange ich auch Privatkunden habe, und ich habe immer noch Zeit genug für das, was ich eigentlich tun möchte.
    Vor der Tür bleibe ich noch einen Moment stehen und suche nach dem Zettel, den Ronnie mir gegeben hat. Philipp van Bergen , steht da. Eine Handynummer. Ich zögere. Vielleicht sollte ich ihn erstmal googeln?
    Dann tippe ich kurz entschlossen seine Nummer ein und warte.
    »Ja?«, meldet sich nach viermaligem Klingeln eine Männerstimme.
    »Spreche ich mit van Bergen?«, frage ich.
    »Am Apparat.« Er klingt schroff, aber ich mag seine Stimme, sie ist dunkel und klangvoll. Ich stelle mich vor und sage ihm, woher ich seine Nummer habe.
    Er schweigt einen Moment, als hätte mein Anruf ihn verblüfft oder aus seinen Gedanken gerissen. Dann bedankt er sich bei mir und fragt mich, ob ich am nächsten Tag schon Zeit für ihn hätte. Ich murmele etwas über meinen Stundensatz, den er ganz beiläufig bestätigt, und mache einen Termin mit ihm aus.
    Als ich das Gespräch beende, habe ich zittrige Hände. Ich habe ihm fast das Doppelte meines üblichen Satzes genannt und es scheint, als hätte er genauso beiläufig auch eine noch höhere Entlohnung abgenickt. Die Adresse, die er mir genannt hat, muss irgendwo im Medienhafen zu finden sein. Schicke Ecke, wahrscheinlich ist er ein Werbefuzzi. Die sitzen alle dort im Hafen in teuren, riesigen Lofts und trinken ihren Latte macchiato in einem der von Frank Gehry entworfenen Häuser oder auf der neuen Brücke, die den alten Hafen überspannt.
    Ich atme tief ein und wieder aus. Nette Stimme. Vielleicht ist er ja ganz erträglich. Für das Honorar dürfte er mir sogar gelegentlich den Hintern tätscheln.
    Ich rieche Knoblauch, als ich die Tür aufschließe, und höre
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