Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cagot

Cagot

Titel: Cagot
Autoren: Tom Knox
Vom Netzwerk:
Straßenecken standen seltsame Stelen, in die das an eine abgerundete Swastika erinnernde Baskische Kreuz gemeißelt war. Das Lauburu. David sagte sich das Wort immer wieder vor, als er durch Lesaka ging. Lauburu.
    Unschlüssig, was er als Nächstes tun sollte, setzte er sich auf dem Hauptplatz auf eine Bank und betrachtete ein großes Steinhaus, das mit der grün-rot-weißen baskischen Fahne, der Ikurrina, beflaggt war. Plötzlich kam er sich richtig lächerlich vor: Was sollte er jetzt tun? Einfach … irgendwelche Leute fragen? Wie ein Amateurdetektiv?
    Nicht weit von ihm saß eine alte Frau, die einen Rosenkranz in den Händen hielt und leise vor sich hin murmelte.
    David hüstelte, so dezent er konnte, dann neigte er sich der Frau zu und fragte in stockendem Spanisch, ob sie einen Mann kannte, der … Jose Garovillo hieß?
    Die Frau sah ihn argwöhnisch an, schüttelte den Kopf, stand auf und ging weg, von ein paar aufgescheuchten Tauben umflattert. Er beobachtete, wie ihr Schatten um eine Ecke verschwand.
    Doch David ließ sich durch diesen Misserfolg nicht beirren. Er sprach weitere Fremde auf der Straße an und ging in zwei Supermercados, aber immer stieß er auf die gleichen verständnislosen, wenn nicht sogar feindseligen Reaktionen. Niemand kannte Jose Garovillo, oder zumindest wollte niemand über ihn sprechen. Frustriert kehrte David zu seinem Wagen zurück, holte ein paar Kleider und eine Zahnbürste heraus und nahm sich in einem kleinen Hotel am Ende der Hauptstraße ein Zimmer: im Hotel Eguzki.
    Auf den Wänden des angeblichen Doppelzimmers war ein Muster aus Hirtenstäben, die Wasserhähne spuckten rostiges Wasser. David verbrachte den Abend damit, Chorizo aus dem Supermarkt zu essen, im Fernsehen spanische Quizsendungen zu schauen und auf die nicht zu entziffernde Schrift auf der Rückseite der Landkarte zu stieren. Er konnte die Einsamkeit spüren wie ein durch die Stille schwebendes Lied. Ein wehmütiges altes Volkslied.
    Am nächsten Morgen legte er mehr Tatendrang an den Tag. Als Erstes besuchte er die Kirche, ein altersschwacher, modriger Bau, in dem es nach schimmligen Kniekissen roch. Ein geschundener hölzerner Christus blickte betrübt auf die leeren Kirchenbänke herab. Es gab zwei Weihwasserbecken. In das kleinere war kunstlos ein seltsames pfeilähnliches Symbol gehauen.
    Er strich über den alten grauen Stein, der im Lauf der Jahrhunderte von den Händen der Bauern poliert worden war, die sich beim Betreten der Kirche das Weihwasser auf die schmutzige Stirn getupft hatten.
    In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti…
    Genug. Das hatte doch alles keinen Sinn. David schulterte seinen Rucksack und verließ die Kirche, um erleichtert in das grasduftende Tageslicht hinauszutreten. Wo kamen hier die Menschen zusammen? Wo gab es Leben und Redseligkeit und Antworten?
    In einer Bar.
    Er machte sich auf den Weg in die belebteste Straße, in der es mehrere Läden und Cafés gab, und entschied sich für die Bar Bilbo. Im Innern dudelte Musik, und durch die dicken Fenster konnte man Leute trinken sehen.
    Ein paar Gesichter wandten sich ihm zu, als er das Lokal betrat. Die schäbige, dunkle Bar war gerammelt voll. In einer Ecke unterhielt sich eine größere Gruppe Jugendlicher in der gutturalsten Sprache, die David je gehört hatte. Am Tisch gegenüber saß eine einzelne junge Frau, ein attraktives blondes Mädchen. Sie schaute kurz in seine Richtung, bevor sie sich wieder ihrem Handy zuwandte. Der Rest der Kneipe war in der Hand dunkelhäutiger, schwarzhaariger Männer, die trüben Cidre tranken und mit ihrem dröhnenden Lachen die Musik übertönten.
    Im selben Moment schloss sich für David der Kreis - die Musik. Es war die gleiche Art von Musik, die bei der Beerdigung seines Großvaters gelaufen war. Ein lebhaftes, leicht disharmonisches Gitarrenstück. Was bedeutete das? Gab es irgendeine direkte Verbindung zu den Basken? War sein Großvater vielleicht sogar … Baske?
    David hatte seinen Großvater nie etwas anderes sprechen hören als Spanisch - und Englisch. Und ihr Familienname war eindeutig spanisch. Martinez. Doch die untersetzten Männer sahen aus wie sein Großvater. Und übrigens auch wie sein Vater.
    Ein weiteres Rätsel. Es wurden immer mehr.
    Sich auf den Tresen stützend, bestellte er in seinem erbärmlichen Spanisch ein cerveza. Dann setzte er sich an einen Tisch in der Nähe und trank das Bier. Wieder fühlte er sich hilflos, ohnmächtig. Was wollte er hier überhaupt? Aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher