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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix
Autoren: Richard Montanari
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Zeit auf Kollisionskurs war.
    Bete für uns Sünder …
    Ich stehe oben auf der Eisentreppe wie Christus auf dem Hügel Golgatha. Mein kaltes, graues, einsames Golgatha.
    Jetzt …
    Ich spüre die Hand auf meinem Rücken.
    Und in der Stunde unseres Todes …
    Ich schließe die Augen.
    Ich spüre den Stoß.
    Amen.
     

 
     
    84.
     
     
    18. Mai, 13.55 Uhr
     
     
    J essica fuhr mit John Shepherd nach West-Philly. Sie arbeiteten seit zwei Wochen zusammen und waren unterwegs zum Verhör eines Zeugen. Es ging um einen Doppelmord an den Besitzern einer Gemischtwarenhandlung in Süd-Philly, die beide kaltblütig erschossen und im Keller neben ihren Waren aufgefunden worden waren.
    Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war warm. Die Stadt warf endlich die Fesseln des kühlen Frühlingsanfangs ab und umarmte den Tag – mit geöffneten Fenstern, offenen Verdecken, Obstverkäufern, die ihre Waren ausstellten.
    Dr. Summers’ abschließender Bericht über Andrew Chase enthielt einige interessante neue Erkenntnisse. Unter anderem hatten Arbeiter des Friedhofs St. Thomas in Nord-Philadelphia berichtet, dass ein Grab am Mittwoch der Osterwoche umgegraben worden sei, ein Grab, das Andrew Chase gehörte. Der kleine Sarg im Grab war nicht berührt worden. Dr. Summers vermutete, dass Chase am Ostersonntag die Auferstehung seiner tot geborenen Tochter erwartete. Summers vermutete, dass Chase seine entsetzlichen Verbrechen begangen hatte, weil er hoffte, seine Tochter würde von den Toten auferstehen, wenn er die Leben von fünf Mädchen opferte. Der verwirrte Mörder glaubte, seine Opfer richtig ausgewählt zu haben, da jedes der fünf Mädchen bereits einen Selbstmordversuch begangen und dem Tod somit Einlass in ihr Leben gewährt hatte.
    Ein Jahr vor der Ermordung von Tessa Wells hatte Chase im Rahmen seines Jobs einen Leichnam auf der Achten Straße abgeholt, und zwar aus dem Reihenhaus neben dem Gebäude, in dem er später Tessa Wells ermordet hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte er vermutlich die Säule im Keller entdeckt.
    Als Shepherd nun in der Bainbridge Street parkte, klingelte Jessicas Handy. Es war Nick Palladino.
    »Was gibt’s, Nick?«, fragte sie.
    »Schon gehört?«
    Jessica hasste Gespräche, die mit dieser Frage begannen. »Nein«, sagte sie. »Aber bring es mir schonend bei. Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen.«
    »Andrew Chase ist tot.«
    Die Worte tanzten durch ihren Kopf wie unerwartete Neuigkeiten – ob gute oder schlechte – es oft tun. Als Chase von Richter McManus zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, hatte Jessica angenommen, dass mit lebenslänglich vierzig oder mehr Jahre gemeint waren, Jahrzehnte, in denen Chase über das Leid, das er anderen zugefügt hatte, nachdenken konnte.
    Keine Wochen.
    Nach Nicks Worten waren die Begleitumstände seines Todes ein wenig undurchsichtig. Er hatte gehört, dass Chase eine lange Eisentreppe hinuntergestürzt war und sich das Genick gebrochen hatte.
    »Ein gebrochenes Genick?«, fragte Jessica, die versuchte, den spöttischen Unterton zu unterdrücken.
    Nick hörte ihn dennoch heraus. »Ich weiß«, sagte er. »Das Karma ist manchmal eine Hexe mit einer Panzerfaust, nicht wahr?«
    Ja , dachte Jessica. In der Tat.
     
    Frank Wells stand auf der Schwelle seines Hauses und wartete. Tessas Vater sah klein und zerbrechlich und sehr blass aus. Er trug dieselbe Kleidung wie beim letzten Mal, wirkte heute aber noch verlorener als zuvor.
    Tessas Schutzengel-Anhänger war in Chases Kleiderschrank gefunden worden. Ehe Jessica nun aus dem Wagen stieg, zog sie das Kettchen mit dem Schutzengel aus dem Beweismittelbeutel und steckte es in ihre Hosentasche. Sie warf einen Blick in den Innenspiegel, um zu überprüfen, ob sie verweint aussah.
    Sie musste noch ein letztes Mal stark sein.
     
    »Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte Wells.
    Jessica hätte beinahe erwidert: Ich würde mich freuen, wenn es gesundheitlich mit Ihnen bergauf ginge. Doch sie wusste, dass es nicht so sein würde. »Nein, Sir«, sagte sie.
    Wells bat sie ins Haus, doch Jessica lehnte ab. Sie standen auf der Treppe. Die Sonne schien auf das gewellte Aluminium-Vordach über ihren Köpfen. Jessica sah, dass Wells nach ihrem letzten Besuch einen kleinen Blumenkasten hinter das Fenster im ersten Stock gestellt hatte. In Tessas Zimmer wuchsen nun gelbe Stiefmütterchen.
    Frank Wells hatte die Nachricht von Andrew Chases Tod genauso aufgenommen wie die Nachricht von Tessas Tod – ungerührt und mit
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