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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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ich.
    Steffi falzt den Zettel mit meinem Nachruf präzise zusammen.
    »Ein Berg«, sage ich, »wie der Zuckerhut, nur stilisiert. Blau, der Himmel rot, ganz oben auf der Spitze steht ein Haus, quadratisch, so wie das Haus vom Nikolaus. Das wäre mein erstes Bild. Das wäre mein Haus, in dem ich wohne.«
    »Ich lege das jetzt mal hier in die Schublade«, sagt Steffi. »Erinnere mich daran, wenn wir’s brauchen.«
    »Das wird schwer werden«, sage ich.
    Steffi zieht die Schublade auf und legt den Zettel hinein. Jetzt liegt er da also, neben einer rostigen Zange, einer Gartendrahtspule und Gaffertape. Sie rüttelt an der Schublade, sie will nicht wieder zugehen. Am Horizont quetscht sich die Sonne durch die Wolken.
    »Steffi«, sage ich, »vielleicht …«
    »Alles klar«, sagt Steffi und schmeißt den Zettel in den Papierkorb.

41 DIE RICHTIGEN TEXTE IN DEN FALSCHEN HÄNDEN
DIE RICHTIGEN TEXTE IN DEN FALSCHEN HÄNDEN
    41 DABEI HATTE ES DOCH so hoffnungsvoll angefangen: ich, hottest Director in Deutschland, Shootingstar, Mann des Jahres (ein Preis, der abgeschafft wurde), Träger des Dr.-Otto-Kasten-Preises für darstellerische Nachwuchskräfte (ebenfalls abgeschafft), Theatertreffen, all das. Modeljobs auch, weil ich so verdammt gut aussah, obwohl ich aus dem Osten kam.
    Natürlich, Misstrauen war immer da, von den Schlaueren, Erfahreneren, durch deren Reihen ein Aufschrei des Entsetzens ging, als mir der damals vom Bundesbildungsbürger geradezu heilig verehrte Botho Strauß die Uraufführung eines Stücks namens »Angelas Kleider« anvertraute, die 1991 beim Steirischen Herbst in Graz stattfand, das Festival finanziell ruinierte, den Kritikern ganz und gar nicht gefiel und Botho Strauß dazu veranlasste, das Werk von den Bühnen dieser Welt zurückzuziehen, für alle Zeiten.
    Botho Strauß war eines dieser Westphänomene, wie es Heiner Müller war, nur andersherum. Beatles oder Stones, Strauß oder Müller. Das waren die intellektuell-exzentrischen Fragen aller intellektuellen Fragen in ansonsten stürmischen Zeiten. Am Tag der Premiere trat Hans Holtei, ein älterer Regiekollege, während eines Get-togethers zu mir und fragte mich: »Wie viel haben Sie vom Text gestrichen?«
    Er trug ein rosafarbenes Sakko und sein Ton war derart streng, dass ich log: »Einen Satz«, antwortete ich.
    Das hatte Holtei wohl nicht erwartet. Er nahm einen Schluck von seinem Schilcher, leckte sich blitzschnell wie ein Lurch die Oberlippe, um dann beide Lippen fest aufeinanderzupressen und damit seine Falte zwischen Nasenwurzel und Augenbrauen noch mehr zu kultivieren. »Von Botho Strauß streicht man nichts«, sagte Holtei.
    Und ich sagte: »Alles klar«, und lachte, weil ich das für einen guten Witz hielt. Aber das war kein Witz. Der Abend dauerte sechs Stunden. Die Kritiker riefen im Chor: Er kann es nicht, er kann es nicht.
    Vielleicht müsste ich es heute noch mal machen. Das Stück war nämlich sehr gut. Damals hatte ich viele lustige Ideen. Heute bin ich für jede lustige Idee, die ich nicht habe, dankbar. Zum Beispiel trug ein Mann mit Eselskopf eine Uhr über die Bühne (Uraufführung! Haha!), ein Ball rollte entgegen aller physikalischen Gesetze zu »In Another Land« von den Stones eine Schräge hinauf und berührte den Bühnenvorhang, der sich daraufhin öffnete. Ganz besonders stolz waren wir auf die Bergwerkslore. Wir hatten einen engen Schienenkreis auf der Drehbühne gelegt, der durch die verschiedensten Räume führte – und die Bergwerkslore raste mit einer Darstellerin zu AC   /   DC ’s »Thunderstruck« durch die Türen dieser Gespensterbahnkulisse.
     
    »Sind das da nicht die Leute von AC   /   DC ? Jetzt dreh dich nicht gleich um.«
    Tatsächlich. Da sitzen sie. Sogar der Typ mit dem komischen Zylinder. »Los, geh hin und frag, ob wir einen Song kriegen.«
    »Warum ich?«
    »Weil du die Assistentin bist.«
    »Ach so.«
    Die Assistentin stöckelt durch die südsteierische Weinkneipe, die schon längst geschlossen sein müsste. Eigentlich wollen wir noch in die Keller-Bar, in deren Inneres eine Rutschbahn führt. Aber das hier ist schon ein Ding, dass die hier sitzen. Schortie kriegt seinen Mund gar nicht mehr zu, seine Augen, eh gefährdet, fallen vor Ungläubigkeit fast aus ihren Höhlen.
    Die Assistentin sitzt jetzt schon gefühlte zwanzig Minuten an deren Tisch. Sie ist ziemlich groß und ziemlich hübsch und Schortie ist verliebt in sie. Wir können scheißen gehen. Die schlucken ganz schön was weg.
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