Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
Vom Netzwerk:
Hass.
     
    Nach einem misslungenen Auftritt mit meinem Kommilitonen Florian Martens, der während eines der zahlreichen Monologe des Prinzen von Homburg, den ich gab, seine Haftschalen verlor und sie hinter mir, während ich mir vorne einen Wolf spielte, zu suchen begann, schreite ich nun auf das nächste Desaster zu. Die Intendanten, die sich nicht sicher sind, wen sie engagieren wollen, können sich noch eine Szene zum Vorspielen aussuchen. Freiberg, Dresden, Gera und Neuruppin interessieren sich für Uwe oder mich, sie wünschen sich, den »Faust« zu sehen.
    Um das Weitere zu verstehen, muss man wissen, dass Uwe und ich monatelang große Erfolge mit einem im Zuge der Wahlrolle selbst erarbeiteten »Faust« gefeiert haben. Das Gretchen kam in unserer Interpretation nicht vor. Uwe als Faust, ich als Mephisto, dazu Pink Floyd aus dem Kassettenrecorder, mehr brauchten wir nicht. Ich hatte mir meine Nägel mit Glitzerstaub lackiert, weil dabei ein Schweif entstand, der für eine Nanosekunde in der Luft stehen blieb, wenn ich als Teufel in rotem Umhang, den mir meine Mutter in der Kostümabteilung des Fernsehens der DDR besorgt hatte, mit ausladenden Bewegungen herumsprang, meine Hände durch die Luft sausen ließ, aalige Verrenkungen und mystische Stimmlagen einsetzte und einen Goethe hinknatterte, der sich gewaschen hatte.
    Uwes Faust war heilig angelegt. Mit langem schwarzem Mantel betrachtete er eine Fliege durch ein Mikroskop, während er den großen »Habe nun, ach«-Monolog sprach. Ich hüpfte dabei um ihn herum, schrieb mit jeder Bewegung glitzernde Schweife in den Raum, wirbelte mit dem roten Mantel Luft auf und gab mich dem Spielrausch hin.
    Ein Jahr lang reisten wir mit diesem Erfolg durch die Lande, jedem, der es wissen wollte oder auch nicht, erzählten wir, was wir da Großes geleistet hätten mit unserer Faustinterpretation.
    So auch an besagtem Premierenabend in der Volksbühne. Da hatte Uwe irgendwann seine Faust auf den Tisch geknallt und verkündet: »Unser Faust! Das Beste in der deutschen Theaterlandschaft.« Das war übrigens nach der großen Entblößung.
    »Gut«, sagte Ursula Karusseit, »dann zeigt mal, was ihr könnt«, woraufhin sie sich erhob. Alle begaben sich in den Zuschauerraum und erfüllten ihn mit Leben.
    Wir stellten uns vor den Eisernen Vorhang und bemerkten, obgleich betrunken, recht schnell, dass in unserem Spiel von Anfang an der Wurm drin war. Ich malte Mephisto in die heiße Luft, hilflos, denn ich trug ja meinen roten Mantel nicht, der immer so schön rauschte und mich umhüllte, magisch. Und auch die Silberstreifen, die der Glitzer auf den Fingernägeln verbreitet hatte, fehlten. Ich fühlte mich, so viel weiß ich noch, wie ein reifer Kartoffelbovist, der zu Staub zertreten wird.
    Uwe, mit schreckensweiten Augen, war auch arm dran: kein langer schwarzer Mantel, kein Mikroskop, keine Fliege, kein Pink Floyd. Und vor allem: kein Text. Er wäre der Haltegriff gewesen, an den wir uns hätten klammern können, doch er war nur kryptisch in unseren versoffenen Birnen vorhanden. Und so klammerten wir uns aneinander und rissen uns gegenseitig in den Abgrund.
    Im Zuschauerraum betrachteten uns Ursula Karusseit und die anderen, stumm und staunend. Nur gelegentlich eine funkelnde Brille oder Flasche. Leises Räuspern. Ein kleines »Aha« aus dem Dunkeln. In diesem Anfang wohnte schon das Scheitern, das war uns klar. Nun hieß es nur noch, das Ganze irgendwie lebend zu überstehen.
    Wie gesagt: Uwe krallte sich an mich, ich krallte mich an Uwe. Unsere Zungen versuchten verzweifelt jene Worte zu treffen, die in Deutschland jedes Kind von den Dächern pfeifen kann: »Werd ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön, dann magst du mich in Ketten schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen.«
    Was ungefähr so klang wie: Werdiumgenlickesagen welochdu hinettensagen magstanann urunde gehn.
    »Wat is’n hier los?« Die Rettung hieß in diesem Fall Frau Hund. Sie war nicht nur ziemlich dick, sodass man sich fragte, wie sie durch die ziemlich kleine Tür des Eisernen Vorhangs gekommen war, sondern auch Pförtnerin der Volksbühne. Sie tippte mit ihren Fingern ungeduldig auf die Armbanduhr: »Nu iss aber ma Schluss.«
    »Na, da war doch schon viel Schönes dran, Frau Hund«, kam es trocken von Ursula Karusseit.
    Dann war es still im Zuschauerraum, von Weitem hörten Uwe und ich noch das Gejohle und Gelächter. An der Bühnenrampe ließen wir die Beine baumeln.
    »Alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher