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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy
Autoren: Jordan Sonnenblick
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sich über mein Pult. Seine massigen, sehnigen Arme schwollen an, als er sich abstützte. Aber sein Gesicht war nicht im Killer-Modus. Es zeigte eher ein reumütiges Grinsen. Woody und Mr Dowd, die als Einzige noch im Klassenzimmer waren, beobachteten interessiert, wie mich Jones’ Knurren überrollte: »Eins zu null für dich, Buddha-Boy. Das war echt witzig.«
    Ich versuchte, mein geheimnisvolles Halblächeln wieder aufzusetzen. Es wirkte bestimmt etwas kränklich in dem Moment, als Jones mich spielerisch auf den Arm boxte und den Raum verließ.
    Gemeinsam mit Woody. Verflixt.
    Mr Dowd sagte: »Du kennst dich wirklich gut aus, San. Ich bin beeindruckt! Dein Sozialkundelehrer in … ähm …«
    Â»Houston.«
    Â»Richtig. Dein Sozialkundelehrer in Houston wird dich bestimmt vermissen.«
    Ich verbreiterte mein Halbgrinsen und in meinen Arm kam langsam das Gefühl zurück. Ich versuchte, nicht daran zu denken, dass ich die gute alte Mrs Brown an meinem letzten Tag in Texas vor Gericht gesehen hatte. »Ich weiß nicht, Sir. Sie wird wahrscheinlich auch ohne mich überleben.«
    Â»Also, ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Stunde ohne dich überlebt hätte. Mach weiter so!«
    Nachdenklich ging ich aus dem Klassenzimmer. Soweit ich mich erinnerte, hatte ein Lehrer zum ersten Mal ohne Sarkasmus »Mach weiter so!« zu mir gesagt. Es fühlte sich komisch an. Vielleicht auch gut, aber komisch gut.
    Sind Lehrer denn gute Typen? Bei Mrs Brown hatte ich Filzstifte für besagte Poster mit nach Hause nehmen dürfen. Mr Dowd zwinkerte, half mir vom Fußboden hoch und lobte mich sogar. Andererseits gaben Lehrer einem Hausaufgaben auf, schrieben Sachen über mich ins Klassenbuch, gaben noch mehr Hausaufgaben auf, brüllten den ganzen Tag Jugendliche an, weil sie Jugendliche waren (wir sind nun mal Jugendliche, okay?), und manchmal interessierten sie sich sogar für das Leben ihrer Schüler. Interessierte Lehrer hatten mir aber schon so viel Ärger eingebracht, dass es mir für den Rest meines Lebens reichte.
    Alles in allem ist das eine schwierige Entscheidung und eine heikle Angelegenheit. Wenn Lehrer nämlich gute Typen sind, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass die Damen an der Essensausgabe in der Kantine, Schulbusfahrer und sogar – stöhn! – stellvertretende Schulleiter manchmal okay sind.
    Was ein totaler Verrat an allem gewesen wäre, was ich glaubte. Soweit ich überhaupt an etwas glaubte.
    Schüchtern und doch mit einer gewissen Intelligenz vor mich hin pfeifend verließ ich das Gebäude. Meine Zehen hatten ein Date mit grauem Matsch.

Ich
werde eins mit meinem Buddha-Wesen
    Am späten Nachmittag traf ich eine bemerkenswerte Entscheidung. Ich erledigte mehr als meine Hausaufgaben. Wenn man schon Buddha-Boy genannt wird, sollte man sich wenigstens so gut auskennen, dass man die Sache vortäuschen kann. Und ich konnte mir nicht vorstellen, aus den einschlägigen Fernsehprogrammen zu lernen, was ich brauchte. Ich ging also nach Hause und legte meiner Mutter einen Zettel hin, auf dem stand, dass ich in der städtischen Bücherei sei. Ein glänzender Einfall. Erstens wäre ich nicht zu Hause, wenn mein Vater, wie geplant, zum ersten Mal anrief – ein riesiges Plus. Und zweitens konnte es keine Mutter auf der Welt ihrem Kind verübeln, freiwillig eine Bibliothek aufzusuchen. Mom kippte vielleicht um, weil sie vor Schreck einen Herzanfall bekam, und verschied gleich dort auf dem scheußlichen, braunorangen Linoleumboden unserer Küche. Aber sie würde mir unmöglich böse sein können.
    Verärgerten Eltern aus dem Wege gehen: definitiv eine lebenswichtige Fertigkeit, die ich beherrsche.
    Die Bücherei lag nur einen Häuserblock von uns entfernt, also hatte ich es zum Glück nicht weit. Meine Zehen waren vom Heimweg immer noch klamm und halb gefroren. Trotzdem zog ich mit meiner traurigen kleinen Windjacke los, die ein Jahr zu kurz über meinen langen Affenarmen hing und der es völlig an Funktion mangelte. Wenigstens hielt mein Rucksack den beißenden Wind von hinten ab.
    Wie dem auch sei, ich erreichte die Bücherei und ging hinein – ein echter Meilenstein in meiner Leserkarriere. Ich fand einen leeren Tisch in einer staubigen Ecke neben uralten Zeitschriften, denn ich wollte eigentlich nicht in einer Bibliothek gesehen werden. Egal, wie klug und
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