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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
Autoren: Donna Leon
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schon sechs Jahre dauert?«
    »Sowohl als auch. Beides.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber ich nicht, Dottore«, beteuerte Franchi hektisch. »Ich weiß nicht, was das alles soll. Im übrigen möchte ich, wenn Sie gestatten, meine Arbeit zu Ende bringen. Ich lasse meine Kunden ungern warten.«
    »Sie wollte Gino Pivetti heiraten, einen Laboranten bei uns in der Klinik. Aber irgendwie erfuhr seine Mutter von dem Lithium und von Rominas Depressionen und hinterbrachte die Nachricht ihrem Sohn. Der wußte nichts davon: Romina hatte es ihm nie erzählt. Aus Angst, er würde sie verlassen.«
    »Ich wüßte nicht, was das alles mit mir zu tun hat«, unterbrach ihn Franchi. Er zog ein neues Paar Gummihandschuhe aus der Packung und hoffte, sein Arbeitseifer würde den Arzt sowohl beeindrucken wie ihm klarmachen, daß diese Unterhaltung zu nichts führte und es an der Zeit war zu gehen. Aber er, Dottor Franchi, konnte einem Mediziner und Facharzt schwerlich die Tür weisen, oder?
    »Und genauso kam es: Er hat sie verlassen. Es wird also keinen Nachwuchs geben, der Gottes vollkommenen Plan stört, indem er die manisch-depressive Veranlagung der Mutter weiterträgt.«
    Franchi verzichtete aus Höflichkeit darauf, diese Entwicklung gutzuheißen. Gottes Kinder sollten Seinen vielen Vorzügen nacheifern und keine Krankheiten vererben, die Seine Schöpfung beeinträchtigten. Er schraubte die leere Glasflasche auf und stellte den Stöpsel vorsichtig verkehrt herum auf der Arbeitsplatte ab, damit das Verschlußteil nicht mit irgendwelchen Keimen in Berührung kam, so unwahrscheinlich das auch war.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht, Dottor Franchi.« Pedrollis Stimme klang jetzt lebhafter. »Seit ich erfuhr, daß Sie über meine Krankenakte verfügen, und mir klarwurde, was da alles drinsteht.«
    Wie um zu demonstrieren, daß seine Geduld nun wirklich erschöpft war, zog Franchi das Mischgefäß ein paar Zentimeter näher und schickte sich an, die Arznei zusammenzurühren. »Leider ergibt das für mich alles keinen Sinn, Dottore«, sagte er. Dann entnahm er einem der Hängeschränke ein Fläschchen Pepsin, die Suspensionslösung, die er für den nächsten Schritt seiner Zurüstungen brauchte. Er schraubte den Verschluß ab und legte ihn in ein dafür vorgesehenes Glasschälchen.
    »Und Romina Salvi? Ergibt es einen Sinn, wenn ich Ihnen sage, daß jemand mit einem einzigen Telefonanruf ihr Leben zerstört hat?« fragte Pedrolli.
    »Niemand hat ihr Leben zerstört!« Franchi machte jetzt keinen Hehl mehr daraus, wie sehr ihm Pedrolli auf die Nerven ging. Er griff nach der Spritze und legte sie sorgsam beiseite. »Mag sein, daß ihre Verlobung gelöst wurde, aber das hat ja wohl kaum ihr Leben zerstört.«
    »Wieso nicht?« fragte Pedrolli aufbrausend. »Weil es sich dabei nur um Gefühle handelt? Weil niemand ins Krankenhaus mußte und keiner gestorben ist?«
    Franchi hatte endgültig genug; er wollte nichts mehr hören von Gefühlen und zerstörten Hoffnungen. Wer sein Leben im Abglanz des Herrn verbrachte, dem konnte so etwas nicht passieren.
    Der Apotheker trat dicht vor Pedrolli hin. »Ich habe Ihnen schon mehrfach gesagt, daß ich nicht weiß, wovon Sie reden, Dottore. Ich weiß allerdings, daß Signora Salvi an einer Krankheit leidet, die sich auf etwaige Kinder vererben könnte. Und in Anbetracht dessen ist es vielleicht besser, daß dieses Verlöbnis gelöst wurde.«
    »Mit Ihrer Hilfe, Dottore?« fragte Pedrolli.
    »Wie kommen Sie darauf?« entgegnete Franchi fast im Brustton der Entrüstung.
    »Jemand hat Ginos Mutter gefragt, ob sie sich keine Sorgen mache um ihre künftigen Enkelkinder. Die Pivettis wohnen am Campo Manin, nicht wahr? Demnach wäre das hier ihre Apotheke. Und wo sonst sollte Ginos Mutter so eine Frage gestellt bekommen?«
    »Ich tratsche nicht über meine Patienten«, sagte Franchi mit der Selbstgewißheit eines Mannes, der weder Lügen noch Klatsch verbreitet.
    Pedrolli sah ihn lange an und musterte sein Gesicht so gründlich, daß Franchi sich, nur um diesem Blick auszuweichen, hastig wieder seiner Arbeit zuwandte. Er nahm eine neue Spritze zur Hand und riß die Verpackung so heftig auf, daß sein Zorn in dem Rascheln widerhallte. Nachdem er den Kolben geprüft hatte, stieß er die Nadel in das kleine Fläschchen und begann langsam die Flüssigkeit aufzuziehen.
    »Nein, das würden Sie tatsächlich nicht, wie?« fragte Pedrolli, erstaunt, daß ihm das jetzt erst aufgegangen war. »Sie würden nicht lügen und
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