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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine
Autoren: Donna Leon
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aus dem Weg zu gehen, während er das Tuch mit Holzpfosten umstellte. Einer der Kisten, die seine Leute mitgebracht hatten, entnahm er eine Rolle rotweiß gestreiftes Plastikband, fädelte es durch die Schlitze am Kopf der Pfosten und schuf so eine deutliche Abgrenzung zwischen dem Toten und dem Rest der Welt.
    Alvise trat unterdessen zu einem Mann, der auf den Kirchenstufen stand, und fragte in herrischem Ton: »Wie heißen Sie?«
    »Riccardo Lombardi«, antwortete der Mann. Er war groß, um die Fünfzig, gut gekleidet, jemand, der nach Alvises Einschätzung hinter einem Schreibtisch saß und Anweisungen erteilte.
    »Und was machen Sie hier?«
    Erstaunt über den Ton des Polizisten, antwortete der Mann: »Ich kam zufällig vorbei, und als ich den Auflauf sah, bin ich stehengeblieben.«
    »Haben Sie gesehen, wer's war?«
    »Was meinen Sie?«
    Erst da fiel Alvise ein, daß er ja selbst noch keine Ahnung hatte, was vorgefallen war. Er wußte nur, daß jemand die Questura angerufen und gemeldet hatte, auf dem Campo Santo Stefano liege ein toter Schwarzer. »Können Sie sich ausweisen?« fragte er barsch.
    Der Mann zückte seine Brieftasche und reichte Alvise eine carta d'identità. Der Sergente warf einen Blick darauf, gab sie zurück und erkundigte sich in unverändertem Ton: »Haben Sie etwas gesehen?«
    »Ich sagte doch schon, ich kam zufällig hier vorbei, sah die vielen Leute und blieb stehen, um zu erfahren, was los sei. Weiter nichts.«
    »Na schön. Sie können gehen«, erklärte Alvise gebieterisch. Dann machte er kehrt und ging zurück zur Absperrung, hinter der die Fotografen ihre Ausrüstung schon wieder einpackten.
    »Was gefunden?« fragte er einen Mann von der Spurensicherung.
    Santini, der am Boden kniete und in Handschuhen zwischen den Pflastersteinen nach Patronenhülsen suchte, sah kurz auf. »Ja, einen Toten«, meinte er trocken und machte sich wieder an die Arbeit.
    Alvise ließ sich von der Abfuhr nicht beirren, holte Notizblock und Füller aus der Innentasche seines Uniformparkas, schlug den Block auf und schrieb: »Campo Santo Stefano.« Er hielt inne und ergänzte nach einem Blick auf seine Uhr: »20 Uhr 58«, bevor er den Füller zuschraubte und ihn mitsamt dem Block wieder einsteckte.
    Da hörte er von rechts eine vertraute Stimme fragen: »Was ist denn hier los, Alvise?«
    Mit einer trägen Handbewegung deutete der Beamte ein Salutieren an und sagte: »Ich weiß nicht genau, Commissario. Jemand hat uns angerufen und einen Toten gemeldet. Also sind wir hergefahren.«
    Sein Vorgesetzter, Commissario Guido Brunetti, entgegnete ungehalten: »Daß der Mann tot ist, sehe ich, Alvise. Aber wie ist er ums Leben gekommen?«
    »Ich weiß nicht, Commissario. Wir warten noch auf den Doktor.«
    »Wer kommt?« fragte Brunetti.
    »Wer kommt wohin, Commissario?« fragte Alvise verdutzt zurück.
    »Welcher Gerichtsmediziner kommt? Haben Sie sich erkundigt?«
    »Nein, Commissario. Ich mußte doch in aller Eile die Spurensicherung zusammentrommeln. Da habe ich die Kollegen in der Questura beauftragt, im Ospedale anzurufen, damit man einen Doktor herschickt.«
    Brunettis Frage war beantwortet, als Dottor Ettore Rizzardi, medico legale der Stadt Venedig, auf der Bildfläche erschien.
    »Ciao, Guido.« Rizzardi nahm seine Tasche in die andere Hand und bot dem Commissario die Rechte. »Na, was haben wir denn heute?«
    »Einen Toten«, antwortete Brunetti. »Die diensthabenden Kollegen haben mich zu Hause angerufen. Es hieß, hier sei ein Mord geschehen. Mehr weiß ich nicht. Ich bin auch eben erst gekommen.«
    »Dann wollen wir uns die Sache mal ansehen.« Rizzardi ging auf die Absperrung zu. »Hast du schon mit jemandem gesprochen?« fragte er noch.
    »Nein. Bis jetzt mit niemandem.« Gespräche mit Alvise zählten nicht.
    Rizzardi bückte sich und schlüpfte, mit einer Hand aufs Pflaster gestützt, unter der Absperrung durch. Dann hielt er das Plastikband hoch, damit Brunetti ihm leichter folgen konnte. »Habt ihr schon Aufnahmen gemacht?« fragte Rizzardi einen der Kriminaltechniker.
    »Sì, Dottore«, antwortete der Mann. »Von allen Seiten.«
    »Dann kann's ja losgehen«, meinte Rizzardi und stellte seine Tasche ab. Er holte zwei Paar Plastikhandschuhe heraus und reichte eines davon Brunetti. »Willst du mir assistieren?« fragte er.
    Die beiden knieten neben der Leiche nieder, der eine rechts, der andere links. Der Mann war vornübergestürzt, man sah nur die Hände und die rechte Gesichtshälfte. Brunetti
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