Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
weiterzumachen.
    Litfin brauchte einen Moment, um diese kurz angebundene Antwort zu verdauen, aber dann überquerte er die umgepflügte Erde und stellte sich neben den anderen Arzt. Eine ganze Weile sagten beide nichts, während sie Seite an Seite standen und den beiden anderen zusahen, die in der Furche langsam das Erdreich durchsuchten.
    Nach einigen Minuten reichte einer Von ihnen Dr. Bortot einen weiteren Knochen, den dieser nach einem kurzen Blick ans Ende des zweiten Handgelenks legte. Es folgten zwei weitere Knochen, die beide rasch ihren Platz fanden.
    »Da, links von Ihnen, Piazzetti«, sagte Bortot und zeigte auf einen kleinen weißen Klumpen, der ihm gegenüber aus der Furche hervorlugte. Der Angesprochene bückte sich, um den Knochen aufzuheben, und reichte ihn dem Arzt. Bortot hielt ihn vorsichtig zwischen zwei Fingern, betrachtete ihn kurz und wandte sich an den Deutschen: »Latefalis cuneiformis?« fragte er.
    Litfin spitzte die Lippen und sah den Knochen an, und noch ehe er etwas sagen konnte, reichte ihn Bortot an ihn weiter. Litfin drehte ihn einen Moment hin und her, dann warf er einen Blick auf die Skeletteile, die schon auf der Folie lagen. »Möglich, vielleicht der intermedius«, antwortete er, mit dem Lateinischen vertrauter als mit dem Italienischen.
    »Ja, das kann sein«, meinte Bortot. Er zeigte auf die Folie, und Litfin bückte sich, um das kleine Stück ans Ende des langen Schienbeinknochens zu legen. Er richtete sich auf, und beide Männer blickten auf das Ergebnis hinunter. »Ja, genau«, murmelte Litfin, Und Bortot nickte.
    So standen sie die nächste, Stunde zusammen neben der Furche, die der Traktor gezogen hatte, und nahmen abwechselnd Knochenstücke von den beiden Gehilfen entgegen, die fortfuhren, die fette Erde durch den schrägstehenden Maschendraht zu sieben. Hin und wieder berieten sie sich kurz darüber, wohin ein Teil gehörte, aber meist waren sie sich sofort einig über das, was die beiden Ausgräber ihnen reichten.
    Die Frühlingssonne schien; in der Ferne ließ ein Kuckuck so oft seinen Balzruf ertönen, daß die vier Männer es bald nicht mehr wahrnahmen. Als es wärmer wurde, legten sie zuerst ihre Mäntel, dann die Jacketts ab und hängten alles über die unteren Äste eines der Bäume, die das Grundstück begrenzten.
    Zwischendurch stellte Bortot einige Fragen nach dem Haus, und Litfin erklärte, daß die Außenarbeiten abgeschlossen seien; es bleibe noch der Innenausbau, der nach seiner Schätzung den größten Teil des Sommers dauern werde. Als Bortot seinen Arztkollegen fragte, woher er so gut Italienisch spreche, erzählte dieser, daß er seit zwanzig Jahren seinen Urlaub immer in Italien verbringe und im Hinblick auf die Obersiedlung dreimal wöchentlich Unterricht nehme. Über ihnen im Dorf schlugen die Glocken zwölfmal.
    »Ich glaube, das wäre es, Dottore«, sagte einer der Männer in der Grube und stieß zur Bekräftigung seine Schaufel tief in die Erde. Er stützte sich mit dem Ellbogen darauf, kramte ein Päckchen Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Sein Kollege stellte ebenfalls die Arbeit ein, zog ein Taschentuch heraus und wischte sich das Gesicht ab.
    Bortot blickte in die ausgehobene Grube, die inzwischen etwa drei mal drei Meter maß, dann auf die Knochen und die geschrumpften Organe zu seinen Füßen.
    Plötzlich fragte Litfin: »Warum meinen Sie, daß es ein junger Mann war?«
    Bortot bückte sich, bevor er antwortete, und hob den Schädel auf.
    »Die Zähne«, sagte er und reichte ihn dem anderen. Aber anstatt die Zähne anzusehen, die in gutem Zustand waren und keine Spuren von Altersverschleiß aufwiesen, drehte Litfin den Schädel mit einem leisen Überraschungsruf um. Hinten in der Mitte, genau über der Vertiefung, in die der noch fehlende erste Wirbel paßte, befand sich ein kleines rundes Loch. Er hatte so viele Schädel und Spuren eines gewaltsamen Todes gesehen, daß er weder schockiert noch erschüttert war.
    »Aber warum männlich?« fragte er weiter und gab Bortot den Schädel zurück.
    Bevor Bortot antwortete, kniete er sich hin und legte den Schädel wieder an seinen Platz. »Deswegen. Das hier lag in der Nähe des Schädels«, sagte er im Aufstehen, nahm etwas aus seiner Tasche und reichte es Litfin. »Ich glaube nicht, daß eine Frau das tragen würde.«
    Der Ring, den er Litfin gegeben hatte, war ein breiter Goldreif, der sich zu einer runden Fläche verbreiterte.
    Litfin legte ihn sich auf die linke Hand und drehte ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher