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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
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gegeben, auch keine weiteren Fortschritte in dem Fall, jedenfalls keine amtlichen. Zwar wurde das Vermögen der Familie nach sechs Monaten wieder freigegeben, aber es blieb noch ein Jahr unter Aufsicht eines staatlichen Treuhänders, der zu jeder Verfügung über mehr als hundert Millionen Lire seine Zustimmung geben mußte. Viele solcher Summen wurden in dieser Zeit aus den Familienunternehmen der Lorenzonis abgezogen, aber alle waren legitim und wurden darum genehmigt. Nachdem das Mandat des Treuhänders ausgelaufen war, beobachtete ein gütiges staatliches Auge weiterhin diskret und unsichtbar die Transaktionen der Lorenzonis, aber es wurden keine Ausgaben festgestellt, die über das Übliche hinausgingen.
    Der Junge wurde von seiner Familie als tot betrachtet, obwohl er erst nach weiteren drei Jahren amtlich für tot erklärt werden konnte. Seine Eltern trauerten auf ihre Art; Conte Ludovico gab sich mit verdoppelter Energie seinen Geschäften hin, während die Contessa sich ganz in private Werke der Frömmigkeit und Wohltätigkeit zurückzog. Roberto war ein Einzelkind gewesen, so daß die Familie nun ohne Erben war, weshalb man einen Neffen, den Sohn von Ludovicos jüngerem Brüder, ins Unternehmen holte und darauf vorbereitete, die Leitung des Familienkonzerns zu übernehmen, zu dem die unterschiedlichsten Geschäftsanteile im In- und Ausland gehörten.
    Die Nachricht, daß man das Skelett eines jungen Mannes nebst einem Ring mit dem Familienwappen der Lorenzonis gefunden hatte, wurde von den Carabinieri telefonisch an die Polizei in Venedig weitergegeben Und dort von Sergente Lorenzo Vianello aufgenommen, der sich den Ort, den Namen des Grundstückbesitzers und des Mannes, der den Toten entdeckt hatte, sorgsam notierte.
    Nachdem Vianello den Hörer aufgelegt hatte, ging er nach oben und klopfte bei seinem Vorgesetzten, Commissario Guido Brunetti. Auf dessen »Avanti!« öffnete Vianello die Tür und trat ein.
    »Buon di, Commissario«, sagte er und setzte sich, ohne eine entsprechende Aufforderung abwarten zu müssen, auf seinen üblichen Stuhl gegenüber Brunetti, der hinter seinem Schreibtisch saß und einen dicken Ordner aufgeklappt vor sich liegen hatte. Vianello fiel auf, daß sein Vorgesetzter eine Brille trug; er konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben.
    »Seit wann tragen Sie denn eine Brille, Commissario?« fragte er.
    Brunetti sah ihn an; seine Augen wirkten durch die Gläser seltsam vergrößert. »Nur zum Lesen«, sagte er, dann nahm er die Brille ab und warf sie auf die vor ihm liegenden Papiere. »Eigentlich brauche ich sie gar nicht. Nur kann man damit die kleine Schrift in diesen Schreiben aus Brüssel besser lesen.« Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, als wollte er sowohl die Eindrücke von der Brille als auch das soeben Gelesene wegwischen.
    Er sah den Sergente fragend an. »Was gibt's?«
    »Ein Anruf von den Carabinieri in einem Ort namens...« begann Vianello und warf einen Blick auf den Zettel in seiner Hand. »Col di Cugnan.« Er hielt inne, doch Brunetti sagte nichts. »Das liegt in der Provinz Belluno«, fügte Vianello hinzu, als könnte ein Hinweis, auf die geographische Lage Brunetti weiterhelfen. Als dieser noch immer nichts sagte, fuhr Vianello fort: »Ein Bauer hat dort auf seinem Acker eine Leiche ausgegraben. Anscheinend ein junger Mann von Anfang Zwanzig.«
    »Wer sagt das?« unterbrach Brunetti.
    »Der medico legale, soviel ich weiß.«
    »Wann war das?« fragte Brunetti.
    »Gestern.«
    »Und warum rufen die uns an?«
    »Bei der Leiche wurde ein Ring mit dem Familienwappen der Lorenzonis gefunden, Commissario.«
    Brunetti legte die Finger wieder an die Nasenwurzel und schloß die Augen. »Ach ja, der arme Junge«, seufzte er. Dann ließ er die Hand wieder sinken und sah zu Vianello hinüber. »Sind die sich ihrer Sache sicher?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Vianello und beantwortete auch gleich den unausgesprochenen Teil von Brunettis Frage. »Der Mann, mit dem ich telefoniert habe, sagte nur, daß sie den Ring identifiziert haben.«
    »Das muß nicht heißen, daß es sein Ring war, es heißt nicht einmal, daß...« Hier hielt Brunetti inne und versuchte sich den Namen des Jungen ins Gedächtnis zu rufen.
    »Daß Roberte so einen Ring besaß.«
    »Aber würde jemand, der nicht zur Familie gehört, so einen Ring tragen, Commissario?«
    »Ich habe keine. Ahnung, Vianello. Aber wenn derjenige, der die Leiche da verscharrt hat, ihre
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