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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig
Autoren: Donna Leon
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Commissario?«
    »Ja, ich bin da. Und es ist halb sechs.«
    »Ich weiß«, greinte der junge Mann. »Aber ich konnte sonst niemanden erreichen.«
    »Schon gut, schon gut. Ich gehe hin und sehe mir die Sache an. Schicken Sie mir ein Boot. Sofort.« Angesichts der Uhrzeit und der Tatsache, daß die Nachtschicht schon weg war, fragte er: »Ist jemand da, der es herbringen kann?«
    »Ja, Commissario. Bonsuan ist eben gekommen. Soll ich ihn schicken?«
    »Ja, und zwar sofort. Und rufen Sie die anderen von der Tagschicht an. Sie sollen mich dort treffen.«
    »Ja, Commissario«, antwortete der junge Mann, dem man die Erleichterung daruber anhörte, daß jemand die Sache übernahm. »Und benachrichtigen Sie Dottore Rizzardi. Bitten Sie ihn, so schnell wie müglich hinzukommen.«
    »Ja, Commissario. Noch etwas, Commissario?«
    »Nein, nichts weiter. Aber schicken Sie das Boot. Sofort. Und sagen Sie den anderen, wenn sie vor mir da sind, sollen sie absperren. Niemand darf in die Nahe der Leiche.« Wie viele Beweise wurden schon vernichtet, während er jetzt sprach, wie viele Zigarettenkippen weggeworfen, wie viele Paar Schuhe waren übers Pflaster geschlurft? Ohne ein weiteres Wort legte Brunetti auf.
    Neben ihm im Bett regte sich Paola und sah mit einem Auge zu ihm auf, das andere war von ihrem schützend gegen das Licht erhobenen nackten Arm verdeckt. Sie gab einen Laut von sich, den er aus langer Erfahrung als Frage erkannte.
    »Eine Leiche im Kanal. Sie kommen mich abholen. Ich rufe dich an.«
    Der Laut, mit dem sie das aufnahm, klang zustimmend. Sie drehte sich auf den Bauch und schlief schon wieder, sicher der einzige Mensch in der ganzen Stadt, den es nicht interessierte, daß in einem der Kanüle eine Leiche trieb.
    Er zog sich rasch an, beschloß aufs Rasieren zu verzichten und ging in die Kuche, um zu sehen, ob noch Kaffee da war. Er öffnete den Deckel der Caffettiera und stellte fest, daß noch ein kleiner Rest vom Abend übrig war. Obwohl er aufgewärmten Kaffee verabscheute, schuttete er ihn in einen Topf und drehte die Gasflamme hoch, wahrend er dabeistand und wartete, daß es kochte. Als es soweit war, goß er das dickflüssige Gebräu in eine Tasse, löffelte drei Stück Zucker hinein und trank schnell aus.
    Das Klingeln der Türglocke zeigte die Ankunft des Polizeiboots an. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Acht Minuten vor sechs. Das mußte Bonsuan sein, kein anderer war in der Lage, ein Boot so schnell hierherzubringen. Er holte ein wollenes Jackett aus dem Schrank neben der Wohnungstür. Septembermorgen konnten kalt sein, und womöglich war es auch noch windig bei SS. Giovanni e Paolo, so nah am offenen Wasser der Lagune.
    Am Fuß der fünf Treppen angelangt, öffnete er die Haustür und stand Puccetti gegenüber, einem Rekruten, der noch keine fünf Monate bei der Polizei war.
    »Buon giorno, Signor Commissario«, sagte Puccetti fröhlich und salutierte. Viel mehr Lärm und Bewegung, als Brunetti zu dieser Stunde fur angemessen hielt.
    Er antwortete mit einer Handbewegung und eilte die schmale Calle entlang, in der er wohnte. Auf dem Wasser sah er das Polizeiboot mit seinem rhythmisch blinkenden Blaulicht am Landesteg liegen. Am Steuer erkannte er Bonsuan, einen Polizeibootführer, in dessen Adern das Blut zahlloser Generationen von Buranofischern floß - Blut, das sich inzwischen mit Lagunenwasser gemischt haben mußte - und der ein instinktives Wissen über Gezeiten und Strömungen in sich trug, das es ihm erlaubt hatte, die Kanäle der Stadt mit geschlossenen Augen zu durchfahren.
    Bonsuan, vierschrötig und vollbärtig, quittierte Brunettis Ankunft mit einem Nicken, ebenso ein Zugeständnis an die Tageszeit wie an seinen Vorgesetzten. Puccetti sprang an Deck zu zwei dort wartenden, uniformierten Polizisten. Einer von ihnen machte die Leine los, und Bonsuan lenkte das Boot rasch rückwärts hinaus in den Canal Grande, wo er es scharf herumschwang und zurück in Richtung Rialto-Briicke fuhr. Sie glitten unter der Bracke hindurch und in einen Einbahnkanal zur Rechten. Kurz darauf bogen sie nach links ab, dann wieder rechts. Brunetti stand an Deck, den Kragen gegen den Wind und die morgendliche Kühle hochgeschlagen. Die Boote auf beiden Seiten des Kanals schaukelten in ihrem Kielwasser, und andere, die mit frischem Obst und Gemüse von Sant' Erasmo hereinkamen, wichen beim Anblick des Blaulichts seitlich in den Schutz der Häuser aus.
    Endlich bogen sie in den Rio dei Mendicanti, den Kanal der
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