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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Vorahnungen. Wenn er die Reise ins Drachenland überlebte und ohne die erhofften Resultate zurückkehrte, dann würde er sich Gweregons Unwillen zuziehen. Wie gefährlich mochte es sein, den König zu enttäuschen?
    Sollte er allerdings entgegen seiner Erwartung tatsächlich den Drachenbann erneuern können, dann wären die Folgen umso dramatischer, denn zweifellos würde es Krieg geben. Durfte er dieses Wissen wirklich suchen, wenn er wusste, dass es zu einem Krieg genutzt werden konnte? Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass die Suche nach dem Wissen niemandem schadete, und wahrscheinlich war sie ohnehin vergeblich. Und sollte er tatsächlich das erstrebte Wissen finden, so würde er davon nur so viel preisgeben, wie nötig wäre, um dem Zorn des Königs zu entgehen.
    Alles wäre so viel leichter, wenn sich Calidor nicht ausgerechnet jetzt zum König der Westlande erklärt hätte. Aber die Spaltung war wahrscheinlich unausweichlich gewesen. Das Ostreich und das Westreich waren beide wirtschaftlich unabhängig voneinander, keines der Länder war auf das andere angewiesen. Warum also der aufwendige Transport von Abgaben aus dem Westreich in die Hauptstadt? Warum die ständige Entsendung von Boten mit königlichen Eilbefehlen über den gefährlichen Landweg?
    Doch Gweregon witterte eine Verschwörung, die weit über die Abspaltung der Westlande hinausging. Er fürchtete einen Angriff von Calidors Truppen, dem er unbedingt zuvorkommen wollte. Tan-Thalion zweifelte immer mehr an der geistigen Verfassung des Königs, auch wenn dieser körperlich noch bei guter Gesundheit erschien. Er war fest entschlossen, seinen Thron nicht zu verlassen, bis sein achtjähriger Sohn alt genug war, die Regierung zu übernehmen.
    Tan-Thalion seufzte tief. Er war sich bewusst, dass er in der Schuld des Königs stand, denn dieser hatte die Magiergilde vom Blauen Stein stets großzügig gefördert. Nun forderte er eine Gegenleistung – nicht nur die Verbannung der Drachen, sondern auch die Unterstützung der kämpfenden Truppen. Aber auch in diesem Punkt würde Tan-Thalion Gweregon enttäuschen müssen. Weder er noch der Rest der Gilde hatte sich je mit der Anwendung von Magie zur Kriegsführung beschäftigt. Er konnte dem König nur versichern, dass auch die Gegenseite nicht über mehr Wissen verfügte als er selbst. In der Tat musste Tan-Thalion davon ausgehen, dass er der größte Gelehrte und Magier beider Reiche war. Nur in Car-Niëllath, weit im Osten, mochte es noch Zauberer mit vergleichbarer Erfahrung geben, doch diese Stadt war so weit entfernt, dass sie sich wenig um den König und die Belange des Reiches scherte.
    Tan-Thalion strich mit dem Finger über die Seiten des Buches, das vor ihm lag, um die Textstelle über die Elementarmagie des Feuers wiederzufinden, mit der er sich vor seiner Audienz beim König beschäftigt hatte. Doch schon wenig später schloss er den dicken Folianten mit einem ärgerlichen Knurren. Durch die plötzliche Bewegung geriet ein Haufen von Schriftrollen aus dem Gleichgewicht, und einige von ihnen rollten über das Durcheinander des Schreibtisches, bevor sie leise polternd zu Boden fielen. Der Blick des Zauberers schweifte ab von den Schriften, die vor ihm lagen, und wanderte nachdenklich über die Karte, die neben seinem Tisch an einem hölzernen Ständer hing. Es war eine neue Karte des Reiches, angefertigt vom Meister der Kartenzeichner persönlich. Sie war eine Kopie der Karte, mit der Tan-Thalion zuvor gearbeitet hatte, und natürlich war sie auch genauso ungenau. Nun – zumindest hatte der Zeichner die Lage von Car-Osidia nach den Wünschen des Zauberers verändert. Doch war dies wirklich alles, was die Kartenzeichner konnten? Alte Karten aus den Archiven wieder und wieder aufs Neue kopieren? Natürlich – denn was sonst sollten sie tun? Die Welt dort draußen mit einem Maßstab vermessen? Oder gab es eine andere Möglichkeit? Vielleicht, aber dafür war es ohnehin zu spät. Er wollte bald zu seiner Mission aufbrechen und konnte nicht darauf warten, dass eine neue Gilde der Landvermesser gegründet wurde. Er hatte sich selbst eine andere Aufgabe gestellt, und darauf musste er sich nun vorbereiten.
    Mit einem Seufzen erhob sich der Zauberer, um die verstreuten Schriftrollen aufzusammeln, dann wandte er sich wieder der Karte zu, und sein Blick wurde von der kleine Zeichnung angezogen, die die Stadt Car-Osidia darstellte: ein paar Hausdächer, die über eine zinnenbewehrte Mauer hinwegschauten,
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